Zusammenfassung
Eine Folgerung aus der Lektüre von Frauenreiseliteratur des 19. Jahrhunderts war, daß Europäerinnen in ihren Reiseberichten die Attraktivität farbiger Männer tabuisiert hätten: »Details of ›unseemly‹ behavior are omitted or played down, and the sexual attractiveness of foreign men is hardly ever admitted to.«1 Kontakte weißer Frauen zu Schwarzen bleiben nach Wild »mindestens bis zum Ende der Kolonialzeit, ein absolutes Tabu.«2 Ebenso wie Foster begründet Habinger diese Auslassung damit, daß Keuschheit und Enthaltsamkeit zu den Weiblichkeitsidealen des 19. Jahrhunderts gehörten und viele reisende Frauen darauf bedacht waren, diesen Idealen zu entsprechen. »Es wurden nicht nur die Beziehungen zu weißen Männern ausgespart, darüber hinaus schien die sexuelle Attraktion der einheimischen [kolonisierten] Männer — nicht zuletzt wegen eigener Vorurteile, aber auch aufgrund des kolonialen und rassistischen Diskurses — für viele reisenden Frauen absolut undenkbar.«3
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Anmerkungen
Shirley Foster: Across New Worlds. Nineteenth-Century Women Travellers and their Writings, New York/London/Sydney 1990, S. 19.
Inge Wild: »Mein Afrika!« Zivilisationskritik und Sehnsucht nach den Ursprüngen in deutschsprachigen Reiseberichten zu Schwarzafrika, in: Deutsch als Fremdsprache, 16 (1990), S. 90–122.
Gabriele Habinger: Anpassung und Widerspruch. Reisende Europäerinnen des 19. Jahrhunderts im Spannungsverhältnis zwischen Weiblichkeitsideal und kolonialer Ideologie, in: Doris Jedamski, Hiltgund Jehle, Ulla Siebert (Hg.): ›Und tät das Reisen wählen!‹ Frauenreisen — Reisefrauen, Zürich/Dortmund 1994, S. 174–201, S. 189.
Vgl. dazu: Sherry B. Ortner: Verhält sich weiblich zu männlich wie Natur zu Kultur?, in: Gabriele Rippl (Hg.): Unbeschreiblich weiblich. Texte zur feministischen Anthropologie, Frankfurt am Main 1993, S. 27–54. (Zuerst: Is Female to Male as Nature is to Culture?, in: Michelle Rosaldo, Louise Lamphere (Hg.): Woman, Culture and Society, Stanford 1974, S. 67–87; Kritik an Ortners These äußerte beispielsweise MacCormack. Vgl. Carol P. MacCormack: Natur, Kultur und Geschlecht. Eine Kritik, in: Rippl (Hg.), a.a.O., S. 55–87. (Zuerst: Nature, culture and gender. A critique, in: Carol P. MacCormack, Marilyn Strathern (Hg.): Nature, Culture and Gender, Cambridge 1980, S. 1–24.)
Vgl. zu diesem Thema auch Helen Callaway: Gender, Culture and Empire, London 1987;
Hanna Schissler (Hg.): Geschlechterverhältnisse im historischen Wandel, Frankfurt am Main 1993.
Obwohl sie ihre eigenen und die zahlreichen Veröffentlichungen ihres Ehemannes Rudolf de Haas über Afrika illustrierte, wurde sie vor allem als Heimatmalerin bekannt. 1988 waren im thüringischen Nazza, dem Wohnort de Haas’ mehr als 200 ihrer Bilder ausgestellt. Vgl. Günter Schmitt: Rudolf de Haas 1870–1944. Biographie, in: Friedrich Schegk (Hg.): Lexikon der Reise- und Abenteuerliteratur, Loseblattsammlung, München 1988ff.,Teil 1, Autoren, 26. Erg.-Lieferung März 1995, S. 1–9, S. 4.
Annemarie von Nathusius: Im Auto durch Persien. Mit 16 Abbildungen, Dresden 1926, S. 17.
Sofie von Uhde: Deutsche unter dem Kreuz des Südens. Bei den Kolonialsiedlern in Südwest und Ostafrika, Berlin 1934, S. 149.
Julia Menz: Maha djalan. West-östliche Reise, Hamburg 1940, S. 38.
Marie von Bunsen: Im fernen Osten. Eindrücke und Bilder aus Japan, Korea, China, Ceylon, Java, Siam, Kambodscha, Birma und Indien, Leipzig 1934, S. 77.
Dagmar Bothas: Tropenwelt Java. Reiseeindrücke und Bilder, Berlin 1941, S. 11.
Eva Mac Lean: Unser Kamerun von heute, München 1940, S. 91.
Ursula Lederle-Grieger: Erwachtes Libyen, Berlin 1938, S. 106.
Senta Dinglreiter: Deutsches Mädel auf Fahrt um die Welt, Leipzig 1932, S. 104.
Zu ›Kannibalen‹ und ›Kopfjägern‹ vgl. auch: Mac Lean, a.a.O., S. 112ff.; Jordan, a.a.O., S. 166, S. 182ff.; Friedel Spada: Mit Flinte und Lippenstift, München 1930, S. 110ff.;
Alma Karlin: Im Banne der Südsee. Als Frau allein unter Pflanzern und Menschenfressern, Sträflingen, Matrosen, Missonaren, Minden/Berlin/Leipzig 1930.
Gulla Pfeffer: Die weiße Mah, Minden/Berlin/Leipzig 1929, S. 189.
Annie Francé-Harrar: Reise in die Urwelt. Berlin 1928, S. 97.
In Reiseberichten von Frauen aus den Jahren 1920 bis 1945 sind Texte selten, in denen weiße Männer als Barbaren, Mörder oder Wilde beschrieben werden. Wenn Kritik am Verhalten europäischer Männer in außereuropäischen Ländern geübt wird, so vertreten die Autorinnen meist zivilisations- oder kolonialismuskritische Standpunkte. Eine Ausnahme bildet in dieser Hinsicht Fanters Libyen-Reisebericht, weil die Autorin das Verhältnis kolonisierter Frauen und kolonisierender Männer sogar zu einem Hauptthema ihrer Beschreibung macht. Vgl. Else Fanter: Libia. Der Amazonenstaat der Tebbu, Berlin 1933.
Vgl. Nelly Brandes-Boetticher: Als Zugvogel durch Amerika, Leipzig 1936, S. 47ff.
Alma Karlin: Einsame Weltreise, Minden/Berlin/Leipzig 1930, S. 179.
Vgl. auch Susi Semler: Warum nicht Afrika, Darmstadt 1940;
Luise Ullrich: Sehnsucht, wohin fuhrst du mich?, Berlin 1941.
Gertraud Heise: Reise in die schwarze Haut, Wuppertal 1980.
Edith Ihekweazu: Frauen auf Afrika-Reise. Ein neues Verstehen?, in: Etudes Germano-Africaines, 10 (1993), S. 49–61, S. 57.
Ingrid Perfahl: Schwarzes Lächeln Senegal, Tübingen 1985, S. 142.
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Fell, K.D. (1998). Der fremde Mann: Europäische Wahrnehmungstraditionen. In: Kalkuliertes Abenteuer. Ergebnisse der Frauenforschung. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03752-7_4
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