Zusammenfassung
Emilia Pardo Bazán bezeichnete Heinrich Heine in einem Artikel, der 1886 die spanische Heine-Rezeption zusammenfaßte, als »Nachtigall von Düsseldorf« (»rusinor de Düsseldorf«).1 Berühmt ist auch der despektierliche Ausspruch des Dichterfürsten der Restaurationszeit, Gaspar Nunez de Arce, über die Lieder Gustavo Adolfo Bécquers als »lyrische Seufzerchen von germanischem, exotischem und manieriertem Verschnitt und Geschmack« (»suspirillos liricos de corte y sa-bor germánicos, exóticos y amanerados«).2 Beide Zitate können verdeutlichen, was die Forschung zur Heine-Rezeption in Spanien schon längst weiß: nicht der politische, sondern das Bild eines romantisch-kitschigen Heine steht im Mittelpunkt der Auseinandersetzung mit dem Sänger oder gar Schwan aus Düsseldorf, wie es in ähnlich aufschlußreichen Texten aus der Zeit vor der Jahrhundertwende heißt. Dank der Untersuchungen von Agnes J. Aregger3 ist jedoch nicht mehr zu bestreiten, daß der spanische Romantiker José de Larra Heines politische Schriften schon zu dessen Lebzeiten aus Frankreich mit nach Madrid brachte. Dieser frühe Kulturtransfer führte zunächst zu keinem erwähnenswerten Rezeptionsansatz, was schon Pardo Bazán »mit dem Bedürfnis des bürgerlichen Lesepublikums nach ›reiner Poesie‹ angesichts des antipoetischen Windes, der zur Zeit wehe«4 erklärte. Die Forschung, die in diesem Bereich sehr wohl zu Ergebnissen gekommen ist, hat es bisher versäumt, sich ausführlich mit dem Heinebild der Jahrhundertwende zu beschäftigen, obwohl, wie immer wieder betont wird, zwischen 1873 bis 1913 in Spanien »mehr Werke des deutschen Dichters übersetzt wurden als je zuvor und danach«.5
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Anmerkungen
Emilia Pardo Bazán: Fortuna Espanola de Heine. — In: Revista de Espana. 1886, S. 481–496, hier S. 482.
Gaspar Nunez de Arce: Gritos de Combate. Madrid/Sevilla 81930 [Erstausgabe 1896], S. XVI. Fälschlicherweise wird das Bonmot häufig direkt auf Heine bezogen.
Agnes J. Aregger: Heine und Larra. Wirkungsgeschichte eines deutschen Schriftstellers in Spanien. Zürich 1981z.
Susanne Zantop: Zwischen Aneignung und Enteignung. Heine in Südeuropa. — In: Nationale Grenzen und internationaler Austausch: Studien zum Kultur- und Wissenschaftstransfer in Europa, hrsg. von Lothar Jordan und Bernd Kortländer. Tübingen 1995, S. 94–108, hier S. lOlf.
Bodo Müller: Die Rezeption der deutschen Literatur in Spanien. — In: Arcadia 2. 1967, S. 257–276; hier S. 268f; Gerhart Hoffineister: Spanien und Deutschland: Geschichte und Dokumentation der Uterarischen Beziehungen. Berlin 1976, insbesondere S. 146–149 und zuletzt Wido Hempel: La literatura alemana. — In: Historia de la literatura espanola, hrsg. von J. M. Alberich u.a. Madrid 1990, Bd. H, S. 1283–1297, insbesondere S. 1289f.
Egon Schwarz: The Reception of German Culture in Spain. — In: Yearbook of Comparative and General Literature 14. 1965, S. 16–36.
José J. Herrero: Poemas y fantasias de Enrique Heine. Madrid 1883.
Pio Baroja: Lashoras solitarias. — In: Obras complétas. Madrid 1948, Bd. V, S. 243.
Udo Rukser: Heine in der hispanischen Welt. — In: DVjs 30. 1956, S. 474–510;
José Maria Diez Taboada: El germanismo y la renovación lírica espanola en el siglo XIX. 1840–1870. — In: Filología moderna 5. 1961, S. 21–55.
Claude R Owen: Heinrich Heine im spanischen Sprachgebiet. Eine kritische Bibliographie. Münster 1968. Den Ergänzungsband aus dem Jahre 1973 konnte ich leider nicht einsehen. Hinweise finden sich außerdem in Siegfried Seifert/ Albina A. Volgina: Heine-Bibliographie 1965–1982. Berlin, Weimar 1986, S. 367–369.
Jürgen Kühnel: Produktive Mittelalterrezeption. Fragmentarische Beobachtungen, Notizen und Thesen. — In: Mittelalterrezeption IV. Medien, Politik, Ideologie, Ökonomie. Gesammelte Vorträge des 4. internationalen Symposions zur Mittelalter-Rezeption an der Universität Lausanne 1989, hrsg. von I. v. Burg u.a. Göppingen 1991, S. 433–467.
Michael Espagne/ Michael Werner: La construction d’une référence allemande en France. Genèse et histoire culturelle. — In: Annales E.S.C. 1987, S. 969–992; Michael Werner: Maßstab und Untersuchungsebene. Zu einem Grundproblem der vergleichenden Kulturtransfer-Forschung. — In: Nationale Grenzen und internationaler Austausch [Anm. 4], S. 20–33.
Gustav Siebenmann: Heine und der hispanoamerikanische modernismo. Eine Wiedererwägung. — In: Aufstieg und Krise der Vernunft. Komparatistische Studien zur Literatur der Aufklärung und des Fin-de-Siècle, hrsg. von M. Rössner und B. Wagner. Wien 1984, S. 289–295.
Joyas Prusianas. Intermedio, Regreso y Nueva Primavera. Poemas Hricas de Enrique Heine. Interpretación espanola, precedida de un estudio biográfico del poeta por Manuel Maria Fernandez y G. Madrid 1873.
Enrique Heine: El intermezzo. Traducción de Angel Rodriguez Chaves. Madrid 1877, S. 34f
Vgl. einführend Rogelio Garcia Mateo: Das deutsche Denken und das moderne Spanien. Pantheismus als Wissenschaftssystem bei Karl Chr. F. Krause. Seine Interpretation und Wirkungsgeschichte in Spanien. Der spanische Krausismus. Frankfurt a. M./ Bern 1982;
Elena de Jongh Rössel: El krausismo y la generación del 1898. Valencia 1985;
Juan López-Morillas: Krausismo, estética y literatura. Barcelona 21990.
Katharina Niemeyer: La poesia del premodernismo espanol. Madrid 1992.
Gerhard Höhn: Heine-Handbuch. Stuttgart 21997, S. 54.
Beate Volmari: Die Melusine und ihre Schwestern in der Kunst. Wasserfrauen im Sog gesellschaftlicher Strömungen. — In: Sehnsucht und Sirene. 14 Abhandlungen zu Wasserphantasien, hrsg. von Irmgard Roebling. Pfaffenweiler 1991, S. 345.
Manuel Reina: Andantes y alegros. Madrid 1877, S. 65f. Die früheste spanische Fassung dieses Gedichts wurde am 11. Februar 1864 in der Zeitschrift »El seminario popular«, S. 399 in Prosa veröffentlicht. Owen [Anm. 13] kennt andere Versionen von 1881 in »La ilustración« und 1884 in »La época ilustrada«. Reinas Übertragung ist Owen nicht bekannt, ebensowenig ein Band, der um die Jahrhundertwende in Barcelona veröffentlicht wurde: Enrique Heine: Leyendas. Nocturnos. Hojas caidas. Romancero. El libro de Lázaro. Barcelona [o. J.].
Vgl. unter anderem Gesichtswinkel Gerhard Kaiser: Doktor Faust, sind Sie des Teufels? Eine Notiz zu Heines »Seegespenst«. — In: Euphorion 78. 1984, S. 188–197
und Markus Winkler: Mythisches Denken zwischen Romantik und Realismus. Zur Erfahrung kultureller Fremdheit im Werk Heinrich Heines. Tübingen 1995, S. 65f.
Enrique Heine: Cuadros de viaje. Primera version castellana hecha directamente del alemán con arreglo al texto revista y completada por Adolfo Strodtmann, anotada y comparada con la version francesa del autor por Lorenzo Gonzalez Agejas. Madrid 1889.
Antonio Machado: Obras. Poesia y prosa, hrsg. von Aurora de Albornoz und Guillermo de Torre. Buenos Aires 1964, S. 517.
Juan Ramon Jimenez: ›Las Soledades‹ de Antonio Machado. Primeras Prosas. — In: Obras complétas. Madrid 1962, S. 514. Als Übersetzung schlage ich vor: »[…] das Geheimnis des Wassers bildet eine wahre Besessenheit in der Seele unseres großen Dichters [..] das Rätsel des Wassers ist magnetisierend.«
José Ortega y Gasset: Obras complétas. Madrid 31954, Bd. ü, S. 129 (deutsch: »Heine hätte gesagt, der europäische Kontinent rieche nach alten Vergißmeinnicht«).
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Gimber, A. (1999). Von Perlen, Mond und Wasserfrauen. In: Kruse, J.A., Witte, B., Füllner, K. (eds) Aufklärung und Skepsis. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03751-0_47
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