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»Das Leben ist weder Zweck noch Mittel; das Leben ist ein Recht«

Heines Kritik des teleologischen Denkens

  • Chapter
Book cover Aufklärung und Skepsis
  • 282 Accesses

Zusammenfassung

Heinrich Heines Kritik des teleologischen Denkens, die ich hier in einigen Grundzügen erörtern möchte, scheint mir auf besondere Weise mit dem Kongreßthema »Aufklärung und Skepsis« verbunden zu sein, gehört doch die teleologische Betrachtung von Natur und Geschichte, wie sie in Heines Fortschrittsdenken kritisch reflektiert wird, ebenso zum Erbe der Aufklärung wie seine dezidierte Skepsis gegenüber der Vorstellung eines linearen, von einer allgemeinen Weltvernunft gesteuerten Geschichtsablaufes. Denn selbst Immanuel Kant bemerkt, nachdem er in seiner programmatischen Abhandlung »Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht« für die Darstellung der Historie als »Vollziehung eines verborgenen Plans der Natur«1 plädiert hat, am Schluß doch zweifelnd:

[…] was hilfts, die Herrlichkeit und Weisheit der Schöpfung […] zu preisen und der Betrachtung zu empfehlen, wenn […] die Geschichte des menschlichen Geschlechts:[…] ein unaufhörlicher Einwand dagegen bleiben soll […].2

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Anmerkungen

  1. Immanuel Kant: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht. — In: Ders.: Gesammelte Schriften, hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Berlin, Leipzig 1923, Bd. VIII, S. 15–31, hier: S. 27 (im Original hervorgehoben).

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  2. Jean-Pierre Lefebvre: Heines Gedicht »Zur Teleologie«. Eine Rede aus Anlaß des Erwerbs der Handschrift. — In: HJb 31. 1992, S. 212–223, hier: S. 219.

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  3. Vgl. Jocelyne Kolb: »Die Puppenspiele meines Humors«: Heine and Romantic Irony. — In: Studies in Romanticism 26. 1987, S. 399–419. Kolb sieht in Teutolindes Frage »a parody of the Gretchen-Frage«. Ebd., S. 411.

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  4. Auf den Hegel-Bezug wird bereits im Kommentar zum ersten kompletten Abdruck des Gedichts hingewiesen. Vgl. Heinrich Heine: Sämtliche Werke, hrsg. von Ernst Elster. 2. krit. durchges. und erl. Ausgabe. Leipzig 1925, Bd. II, S. 386.

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  5. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik I. — In: Ders.: Werke. Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Frankfurt/M. 1970, Bd. 13, S. 184 (Hervorhebung im Original).

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  6. Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie. — In: Ders.: Gesammelte Schriften, hrsg. von Gretel Adorno und Rolf Tiedemann. Frankfurt/M. 1970, Bd. VII, S. 119.

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  7. Günter Oesterle: Integration und Konflikt. Die Prosa Heinrich Heines im Kontext oppositioneller Literatur der Restaurationsepoche. Stuttgart 1972, S. 77.

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  8. Vgl. dazu insbesondere Karl-Heinz Käfer: Versöhnt ohne Opfer. Zum geschichtstheologischen Rahmen der Schriften Heinrich Heines 1824–1844. Meisenheim am Glan 1978, S. 91ff. Käfer erläutert dort Heines auf Schelling zurückgehende »naturphilosophische Kritik am Transzendentalidealismus« (ebd., S. 91) und deren gesellschaftskritische Implikationen exemplarisch an der »Harzreise«.

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  9. Vgl. Helmut Koopmann: Heines Geschichtsauffassung. — In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 16. 1972, S. 453–476, hier: S. 455f.

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  10. Wilhelm von Humboldt: Ueber die Aufgabe des Geschichtschreibers. — In: Ders.: Gesammelte Schriften, hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 1905, Bd. IV, S. 35–56, hier: S. 46. Im Kontext heißt es dort: »Die teleologische Geschichte erreicht auch darum niemals die lebendige Wahrheit der Weltschicksale, weil das Individuum seinen Gipfelpunkt immer innerhalb der Spanne seines flüchtigen Daseyns finden muss, und sie daher den letzten Zweck der Ereignisse nicht eigentlich in das Lebendige setzen kann, sondern es in gewissermassen todten Einrichtungen, und dem Begriff eines idealen Ganzen sucht […].«

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  11. Vgl. Hans Pfeiffer: Begriff und Bild. Heines philosophische und ästhetische Ansichten. Rudolstadt 1958, S. 45.

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  12. Karl Mannheim: Ideologie und Utopie. Frankfurt/M. 31952, S. 169.

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  13. Harald Weinrich: Welcher Hans in welchem Glück? Von der Utopie der Glücksforschung. — In: Literarische Utopie-Entwürfe, hrsg. von Hiltrud Gnüg. Frankfurt/M. 1982, S. 53–69, hier: S. 65.

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  14. Vgl. Stefan Bodo Würffel: Der produktive Widerspruch. Heinrich Heines negative Dialektik. Bern 1986, S. 290f und Käfer [Anm 17], S. 173f.

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  15. Jean-Pierre Lefebvre: Der gute Trommler. Heines Beziehung zu Hegel. Aus dem Französischen von Peter Schöttler. Hamburg 1986, S. 195 (Im Original teilweise hervorgehoben).

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  16. Vgl. ebd., S. 81 und Martin Bollacher: »Aufgeklärter Pantheismus«. Die Deutung der Geschichte in Heines Schrift: Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland. — In: DVjs 49. 1975, S. 265–314, hier: S. 293.

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  17. Vgl. auch HSA XX, 97. Auf den Zusammenhang zwischen diesen Briefaußerungen und Heines späterem Widerspruch gegen eine Geschichtssicht, die das individuelle Leben nur als Mittel zu Zwecken, nicht aber als Recht würdigt, weist bereits Kuttenkeuler hin. Vgl. Wolfgang Kuttenkeuler: Heinrich Heine. Theorie und Kritik der Literatur. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1972, S. 54.

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  18. Vgl. Klaus Briegleb: Abgesang auf die Geschichte? Heines jüdisch-poetische Hegel-Rezeption. — In: Heinrich Heine. Ästhetisch-politische Profile, hrsg. von Gerhard Höhn. Frankfurt/M. 1991, S. 17–37.

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  19. Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. — In: Ders.: Sämtliche Werke, hrsg. von Bernhard Suphan. Berlin 1887, Bd. XIII, S. 146 (Hervorhebung im Original).

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  20. Ernst Bloch: Atheismus im Christentum. Zur Religion des Exodus und des Reichs. — In: Ders.: Gesamtausgabe. Frankfurt/M. 1968, Bd. XIV, S. 155. Die Parallele ist auch in der reügionswissenschaftlichen Forschung diskutiert worden, es gibt sogar die These eines direkten Einflusses griechischer Prometheus-Dichtungen auf den Hiobdichter.

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  21. Vgl. Hans-Peter Müller: Das Ffiobproblem Seine Stellung und Entstehung im Alten Orient und im Alten Testament. Darmstadt 1978, S. 71.

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  22. Vgl. zuletzt Arnold Pistiak: Das Lazaruslied. — In: HJb 33. 1994, S. 36–81.

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  23. Klaus Briegleb: Heines »Naturlaute« zwischen Goethe und Courbet. — In: Ders.: Opfer Heine? Versuche über Schriftzüge der Revolution. Frankfurt/M. 1986, S. 105–124, hier: S. 109.

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  24. Theodor Fontane: Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848. — In: Ders.: Sämtliche Werke, hrsg. von Werner Keitel. Bd. III/ 1, hrsg. von Jürgen Kolbe. Darmstadt 1969, S. 236–260, hier: S. 240f. (Hervorhebung im Original).

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Joseph A. Kruse Bernd Witte Karin Füllner

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© 1999 Springer-Verlag GmbH Deutschland

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Liedtke, C. (1999). »Das Leben ist weder Zweck noch Mittel; das Leben ist ein Recht«. In: Kruse, J.A., Witte, B., Füllner, K. (eds) Aufklärung und Skepsis. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03751-0_40

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