Zusammenfassung
Es ist seltsam für mich, die ich Dir so viele und sehr persönliche Briefe geschrieben habe, eine Nachricht an eine Kollektivadresse zu schicken, eine Nachricht, die alle lesen können. Ich sollte mit einer üblichen Anrede beginnen, aber ich weiß wirklich nicht mehr, ob ich Dich beim Schreiben „liebe …” nennen soll, denn, bevor wir uns vor zwei Wochen für wenige Stunden trafen, habe ich Dich ja zwanzig Jahre lang nicht gesehen, und meine Zuneigung zu Dir lebte von Deiner Abwesenheit. Seitdem ich Dein Gesicht wiedergesehen habe, das, wie es nur logisch ist, die Auszehrungen und die Hinzufügungen der Zeit aufweist, habe ich nicht mehr gewußt, ob Du mir noch lieb bist, wie ich es doch wenige Tage davor noch annahm, als ich zufällig einer Freundin von Dir erzählte. Was uns lieb und teuer ist, das ist in seiner allerersten Bedeutung etwas Wertvolles, also etwas, das seinen Preis hat. Man muß dafür teuer bezahlen, und zwar einen dieser hohen Preise, die das Leben von uns verlangt, und so steht auch die andere Bedeutung — die von Zuneigung und Verbundenheit — tatsächlich für ein Tauschverhältnis, für ein gegenseitiges Verstehen, das nur in einer wechselseitigen Beziehung möglich wird.
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Viganò, V. (1998). E-mail freeyourself.Mlink.nl. In: Eickenrodt, S., Rapisarda, C., Pott, U. (eds) Querelles. Jahrbuch für Frauenforschung 1998. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03742-8_25
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