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“Die wahren Zerrissenen sind die wahren Kreuzträger der Zeit.”

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»Die ganze Janitscharenmusik der Weltqual«

Part of the book series: Heine-Studien ((HEINEST))

  • 48 Accesses

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund der soeben kurz umrissenen historischen Umbruchsituation liegt es nahe, in der Literatur nach dem Abdruck einer solch spannungsreichen Zeit Ausschau zu halten. In der Tat findet sich in den Schriften der Jahre um 1830 verstärkt der Gedanke artikuliert, in einer “Uebergangs-Periode” zu leben, in der Vergangenheit und Zukunft noch im Widerstreit miteinander liegen.34 Das Erwachen eines historischen Bewußtseins und die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit schärfen in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts die Wahrnehmung der Unterschiede zu den vorangegangenen Perioden der Geschichte und ihrer Kunst. Daraus erwächst ein spezifisches Verständnis der eigenen Modernität, das die Ablösung von dem antiken Kunstideal weiter vorantreibt, aber auch von den unmittelbar vorangegangenen Literaturepochen. So hat Karl Gutzkow in einem Aufsatz den Begriff der Moderne als Ausdruck der Epoche im Wandel verstanden, dem selbst keine Dauer beschieden sein kann, und die unvermittelte Vermischung von gegensätzlichen Gefühlen und Stimmungen zu ihrem Merkmal erklärt:

Das eigentlich Moderne erscheint wie eine Mischung von angeborenem Verstande und raffiniertem Gemüt zu sein. Daraus ergeben sich die Leiden, die Vorzüge, die Widersprüche dieses Genres im Leben wie in der Literatur. Es beweisen aber auch diese Widersprüche, daß das Moderne durchaus dem Antiken und Romantischen nicht sollte als drittes Kongruum an die Seite gelegt werden, sondern daß diese Anschauung der Dinge und der Menschen ein Übergang zu einer weiteren Entwicklungslinie ist, die unsere Zeit erst noch erklimmen muß. Das Moderne ist, schon durch die große Schwierigkeit der sichern Definition, kein bleibendes, wenn auch sonst charakteristisches Merkmal unseres Zeitalters. Größere Ereignisse werden diese vorübergehende Mischung von Ernst und Leichtsinn ablösen. In den Widersprüchen des Moments eine schwebende Lösung, in den feindlichen Elementen des Parteigeistes eine wohlmeinende Tröstung, das kann füglich moderne Art genannt werden. Vielleicht ist es ein Begriff unseres Jahrhunderts, vielleicht dauert er nur noch ein Dezennium, jedenfalls, dabei bleibe ich, ist das “Moderne” kein dauernder Typus des gegenwärtigen Zeitalters.35

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© 1998 Springer-Verlag GmbH Deutschland

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Boerner, MC. (1998). “Die wahren Zerrissenen sind die wahren Kreuzträger der Zeit.”. In: »Die ganze Janitscharenmusik der Weltqual«. Heine-Studien. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03740-4_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03740-4_3

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-01598-3

  • Online ISBN: 978-3-476-03740-4

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

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