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Zusammenfassung

Als Cicero im Jahr 46 v. Chr. diesen Brief an Varro schrieb, war damit das Ende einer Ära und der (noch nicht als solcher erkannte) Beginn einer neuen bezeichnet. Beide Männer gehörten zu Roms politischer Oberschicht. Cicero hatte das Amt des Konsuls eingenommen und war sogar vom Senat mit dem Titel »Vater des Vaterlandes« (pater patriae) geehrt worden, weil er den populistischen Staatsstreich des Catilina vereitelt hatte; Varro war Praetor gewesen und hatte während des Bürgerkrieges, der mit Caesars Siegen bei Pharsalos und Thapsos so grausam zu Ende gegangen war, die republikanischen Streitkräfte des Pompeius im südwestlichen Spanien befehligt. Doch Ciceros Ruhmesstunde war längst vorbei: Er war jetzt 60, in einem Alter, das viele römische Politiker nicht erreichten. Die Mehrzahl derjenigen, die so lange lebten, hätte sich gern aus der Politik zurückgezogen. Varro war sieben Jahre älter, und das Fiasko seiner Provinz, die sich Caesar so beflissen ergeben hatte, muß ein schlechtes Andenken hinterlassen haben. Beide wußten, daß es kein freies politisches Leben geben würde, solange Caesar an der Macht blieb. Für die herrschende Schicht der Römer war Dienst an der Gemeinschaft in der Politik oder im Krieg die erste Mannespflicht und die wichtigste Quelle der Selbstachtung, doch hatte man aus der kulturellen Tradition der Griechen gelernt, das dem Studium gewidmete Leben, den θεωρητικός βίος (theōrētikós bíos), als beinahe gleichwertig zu erachten. Für manche bedeutete dies das Studium der Moralphilosophie (doctrina): Bei Ciceros nach seinen alten Freunden benannten Büchern handelt es sich eindeutig um solche Studien.

»Denn wisse: nach meiner Rückkehr in die Stadt habe ich mich mit meinen alten Freunden, das heißt: mit meinen Büchern ausgesöhnt. Freilich hatte ich die Beziehungen nicht deshalb abgebrochen, weil ich ihnen zürnte, sondern weil ich mich ein wenig vor ihnen schämte; es kam mir nämlich so vor, als wäre ich ihren Lehren nicht recht gefolgt, als ich mich mit unzuverlässigen Weggefährten in den Strudel der Ereignisse stürzte.«

(scito enim me, postea quam in urbem uenerim, redisse cum ueteribus amicis, id est cum libris nostris, in gratiam. etsi non idcirco eorum usum dimiseram, quod iis suscenserem, sed quod eorum me sub-pudebat; uidebar enim mihi, cum me in res turbulentissimas infidelissimis sociis demisissem, praeceptis illorum non satis paruisse.

Cicero an Varro, fam. 9, 1, 2; Ü: H. Kasten)

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Notizen

  1. Vgl. A. D. Booth, »Litterator«, Hermes 109 (1981), 371–78 zu den begrenzten Möglichkeiten, die diese Art von Lehrer zu bieten hatte. Horaz zufolge (sat 1, 6, 72) zahlte jeder Junge dem Flavius acht Asse pro Monat, was weniger als der Tagessold eines Soldaten war. Er hätte fast 40 Jungen gebraucht, um auf das Gehalt eines Soldaten zu kommen.

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  2. M. H. Crawford, »Greek Intellectuals and the Roman Aristocracy«, in: Imperialism in the Ancient World, hg. v. P. Garnsey u. J.W.Whittaker, Cambridge 1978, 193–208.

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  3. J. Kaimio, Romans and the Greek Language, Helsinki 1979. Diese detaillierte und gut dokumentierte Untersuchung verdient größere Beachtung, wegen ihrer Relevanz für die Antike ebenso wie für die Moderne.

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  4. Zur Karriere griechischer γραμματικοί in Rom und den Inhalten der γραμματική vgl. die maßgebliche Untersuchung von E. Rawson, Intellectual Life in the Later Roman Republic, Baltimore 1985.

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  5. Zu der These, daß es im hellenistischen Griechenland noch keinen Unterricht durch einen Grammaticus gab, sondern daß er erst um etwa 100 v. Chr. in Rom eingeführt wurde, vgl. A.D. Booth, »The Appearance of the Schola Grammatici«, Hermes 106 (1978), 117–25.

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  6. Auf den sogenannten Hermeneumata Pseudo-Dositheana, die H.I. Marrou, A History of Education in Antiquity, übers, v. G. Lamb, New York 1956, 355, 362, 365, 368 (frz. Orig.: Histoire de l’éducation dans l’antiquité, Paris 1981 [1. Aufl. 1948], Bd. 2, 59, 67, 70, 73; dt: Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum, Freiburg 1957, 385, 393, 396, 399) beschrieben hat;

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  7. einen zugänglichen Text und eine Erörterung dieser Schulbücher findet man bei A.C. Dionisotti, »From Ausonius’ Schooldays«, JRS 72 (1982), 83–125.

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  8. Proklos’ Zusammenfassungen findet man im Hesiod-Band der LCL oder in Bd. 5 des Oxford Classical Text von Homer. Apollodor und seine Epitome sind im Apollodoros-Band der LCL zusammengefaßt; Hygins Fabulae (die wahrscheinlich nicht von dem Gelehrten Hygin verfaßt wurden) sind von H.J. Rose herausgegeben (Leiden 1934), aber noch nicht ins Englische übersetzt worden. [A.d.Ü.: Eine dt. Übers, des Apollodor in: L. Mader, Griechische Sagen. Apollodoros, Parthenios, Antoninus Liberalis, Zürich, Stuttgart 1963.]

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  9. N. Horsfall, »Doctus sermones utriusque linguae?« EMC CV 22 (1979), 85–95.

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  10. Vgl. L. Canfora, La biblioteca scomparsa, Palermo 1986; engl.: The Vanished Library, Berkeley, Calif. 1989; dt.: Die verschwundene Bibliothek, Berlin 1988.

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  11. Plut. Aemilius Paulus 28; Plutarch beschreibt die Jungen als Liebhaber von Büchern. Zu diesem und nachfolgenden Details über Bibliotheken in Rom vgl. A.J. Marshall, »Library Resources and Creative Writing at Rome«, Phoenix 30 (1976), 252–64.

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  12. Zur Geschichte von Aristoteles’ Bibliothek vgl. Strab. 13 C 609 und E. Grayeff, Aristotle and His School, Baltimore 1974, 69–85.

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  13. D.C. Earl, »Prologue Forms in Ancient Historiography«, in: ANRW 2, Berlin 1973, 850–52 und Rawson, Intellectual Life, 40 Anm. 4 und 43.

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  14. Den besten Überblick über Atticus als Liebhaber von Büchern und Betreiber ihrer Veröffentlichung findet man bei Rawson, Intellectual Life, 100–104; vgl. auch N. Horsfall, Cornelius Nepos: A Selection from the Lives, Oxford 1989, zu Nep. Att. 14, 1.

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  15. Können wir z. B. vom ambrosianischen Palimpsest von Ciceros De re publica, dessen Kolumnen zwischen 9 und 14 Buchstaben pro Zeile variieren, ausgehen? Schon die Kürze der Zeilen macht die Lektüre schwierig. Doch hatten die Werke trotz gegenteiliger Behauptungen richtige Titel; vgl. N. Horsfall, »Some Problems of Titulature in Roman Literary History«, BICS 28 (1981), 103–14.

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  16. Zu Theophanes vgl. W. S. Anderson, Pompey. His Friends and the Literature of the 1st Century BC, Berkeley, Calif. 1963, 35–41.

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  17. Zu Parthenios’ Rolle bei der Heranführung römischer Dichter an Kallimachos und andere hellenistische Dichtung vgl. W.V. Clausen, »Callimachus and Latin Poetry«, GRBS 5 (1964), 181–96 und u. Kap. 2. Die Widmung des Parthenios an Gallus ist aufschlußreich: »Die Geschichten, die sich bei manchen Dichtern finden, wirst du, wenn sie dort nicht für sich erzählt werden, in den wichtigsten Zügen aus den vorliegenden [Zusammenfassungen] kennenlernen, und du wirst das, was dir davon am besten zu passen scheint, wieder in Epen und Elegien überführen können« Sie deutet darauf hin, daß ein ungeduldiger, nicht sehr subtiler Soldat besänftigt und zugleich diskret mit Stoff versorgt werden mußte.

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  18. Vgl. Horsfall, Nepos, xvii–xviii, 31–32 und R. E. Fantham, »The Chronological Chapter of Aulus Gellius 17.21«, LCM 6 (1981), 17–27.

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Fantham, E. (1998). Rom am Ende der Republik. In: Literarisches Leben im antiken Rom. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03734-3_2

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