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Die Revolution der Denkart

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Zusammenfassung

Wir haben im vorhergehenden Hauptstück der geschichtlichen Entwicklung vorgegriffen, um die innere gedankliche Einheit einer irrationalen Gegen-Dialektik sichtbar zu machen, wie sie sich parallel und im Gegensatz zur Problemstellung auf den drei Stufen der metaphysischen Systematik des 17. Jahrhunderts, der Aufklärung des 18. Jahrhunderts und des deutschen Idealismus um 1800 darstellt. Im zeitlichen Ablauf ist die dritte Stufe, die hier durch Jacobi, Schlegel und Schleiermacher repräsentiert wird, nach-kantisch und setzt Kants »kopernikanische Wende« immer schon voraus; ja, Schlegel und Schleiermacher haben auch die erste Ausarbeitung von Fichtes Wissenschaftslehre schon hinter sich. Jacobi und Schlegel schliessen sich andererseits ganz an den literarischen Typus des Philosophierens an, das mit Voltaire, Diderot und Rousseau in der Aufklärung seine paradigmatische Ausprägung erhielt, während Schleiermacher wieder zur Systemform strebt. Dies sei festgehalten, um das Missverständnis zu vermeiden, bei der Gegen-Dialektik gehe es einfach um die systemsprengende Form. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die spekulative Konstruktion der Totalität unmittelbar im Selbstbewusstsein als subjektive oder vermittels der reflexiven Form des Selbstbewusstseins als objektive erfolgt; mit anderen Worten, ob ein nur als erlebtes sich beglaubigendes Gefühl oder die ihre Allgemeinheit methodisch ausweisende Vernunft fundierend sein solle.

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Anmerkungen

  1. Siehe Max Wundt, Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung, Tübingen 1945.

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  2. Lothar Kreimendahl, Kant — Der Durchbruch von 1769, Köln 1990.

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  3. Ebd., S. 141 ff. Kreimendahl sieht in Humes Sprachgebrauch das Antinomienproblem präformiert: »Terminologisch spricht Hume nicht von Antinomien, sondern wiederholt von ›manifest absurdities‹ und ›manifold contradictions in human reason‹, von ›direcdy contrary operations in the human mind‹ und von ›errors, absurdities, and obscurities‹. Die prädikativen Wendungen sind nicht weniger eindeutig: ›we contradict ourselves‹ und der Verstand ›entirely subverts itself‹.« Ebd., S. 145. — Dies ist durchaus das Vokabular logischer Widersinnigkeit, das von einem radikalen Skeptiker gebraucht wird. Kant Antinomien explizieren dagegen eine ontologische Struktur der Vernunft.

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  4. Vgl. dazu die terminologischen Erläuterungen Raoul Richters in seiner Übersetzung des Enquiry. David Hume, Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, deutsch von Raoul Richter, Leipzig o.J., S. 206.

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  5. Galvano della Volpe betont in seiner Hume-Analyse, La filosofia dell’ esperienza, Firenze 1933 und Hume o il genio dell’ empirismo, Firenze 1939 (jetzt Opere, ed. Ignazio Ambrogio, vol. 2, Roma 1970), die Seite der Sinnlichkeit. Sie ist es, kraft deren wir die Materialität in ihrer Mannigfaltigkeit erfahren. Allerdings hat die Begründung unserer Weltbeziehung auf das feeling auch die andere Seite, dass diese materielle Mannigfaltigkeit uns nur als Inhalt unseres Bewusstseins (im weitesten Sinne des Wortes) gegeben ist, die Menge der feelings also nicht die Welt, sondern nur unsere Vorstellung von Welt zum Inhalt hat und über das Prinzip Berkeleys esse = percipi nicht hinausführt. Es schliesst also einen auf die Form-Inhalt-Dichotomie limitierten Materiebegriff ein, wenn man Humes Aufwertung der Sinnlichkeit als Argument für den Materialismus in Anspruch nimmt. Dagegen wendet sich aber schon die 1. Feuerbachthese von Karl Marx, die besagt: »Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus (den Feuerbachschen eingerechnet) ist, dass der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefasst wird; nicht aber als sinnlich menschliche Tätigkeit, Praxis; nicht subjektiv.« MEW 3, 5. Materialismus ist rein erkenntnistheoretisch überhaupt nicht zu definieren, es geht immer um die ontologische Korrelation von Bewusstsein und seiender Aussenwelt.

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  6. Immanuel Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, A 13.

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  7. Immanuel Kant, Vorlesungen über die Metaphysik, Erfurt 1821.

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  8. Ebd., S. 4, 16, 17 f. Wie Kant die Aufgabe der Kritik versteht — als eine propädeutische in einer Zeit des Übergangs — sagt er im Anschluss an sein Bekenntnis zur Metaphysik ebd., S. 16: »Unser Zeitalter ist das Zeitalter der Kritik, und man muss sehen, was aus diesen kritischen Versuchen werden wird. Neuere Philosophie kann man eigentlich nicht nennen, weil alles gleichsam im Flusse geht; was der eine baut, reisst der andere nieder.«

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  9. Alexander Johann Gottlieb Baumgarten, Metaphysik, deutsch von Georg Friedrich Meier, Halle 1783. Eberhard sagt von dem Buche, dass er es »für dasjenige halte, welches bis jetzt noch immer das vollkommenste, noch nicht erreichte Muster von Ausführlichkeit, Methode und Bestimmtheit der Begriffe ist«.

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  10. Ebenso Friedrich Christian Baumeister, Institutiones Philosophiae Rationalis Methodo Wolffii Conscriptae, Wien 1775, § 45, S. 18. 11 p

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  11. Kant, Vorlesungen über die Metaphysik, a.a.O., S. 18 f. Kants Einteilung der Kosmologie orientiert sich sichtlich an der cartesischen Unterscheidung von res extensa und res cogitans. Dass auch Hegel — mit einer bezeichnenden Modifikation, nämlich dem Ausschluss der natürlichen Theologie, in der Enzyklopädie am Aufbau der traditionellen Metaphysik festhält, habe ich in Band III, I. Hauptstück, Kapitel 4, bes. S. 158 behandelt. Vgl. dazu auch Hans Heinz Holz, Hegels Konzept der eigentlichen Metaphysik, in D. Pätzold/A. Vonderjagt (Hg), Hegels Transformation der Metaphysik, Köln 1991, S. 28 ff.

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  12. Kant, Vorlesungen über die Metaphysik, a.a.O., S. 5.

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  13. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B XXXVI.

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  14. Wilhelm Gottlieb Tennemann, Grundriss der Geschichte der Philosophie, Leipzig 1812, § 362.

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  15. Nicoiao Merker, Die Aufklärung in Deutschland, München 1982, S. 58 f.

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  16. Ebd., S. 65.

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  17. Christian Wolff, Gesammelte kleine philosophische Schriften, Band II, Halle 1737, S. 188 f.

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  18. Ebd., S. 5 f.

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  19. »Nichts ist A und Nicht-A oder, einander widersprechende Prädicate sind in keinem Subjecte beysammen; oder es ist unmöglich, dass etwas zugleich sey und nicht sey. Dieser Satz heisst der Satz des Widerspruchs, und der schlechterdings erste Grundsatz. (…) Das Mögliche A ist A; oder alles Mögliche ist das was es ist, und kann von sich selbst bejahet werden (principium positionis seu identitatis).« A.G. Baumgarten, a.a.O., §§ 7 und 11, S. 3 ff.

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  20. Christian Wolff, a.a.O., S. 10.

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  21. Ebd., S. 9.

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  22. Ebd., S. 88 ff

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  23. Man muss sich klar machen, dass Wolffs Theorie-Produktion grösstenteils in die Jahre vor 1730 fällt, also sehr früh im Verhältnis zur Entwicklung von Technik in manufakturieller und industrieller Produktion. Er bietet eine Begriffsbildung an, die auf das Erfinden vorausweist und Kriterien bereitstellt, die wissenschaftliche von alchimistischer Tätigkeit zu unterscheiden erlaubt.

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  24. Immanuel Kant, Werke, ed. Wilhelm Weischedel, Darmstadt 1960, Band I, S. 517: »(…) nihil nisi ea, quae experientiae testimonio immediate innotescunt, admiserint. Et hac sane via leges naturae exponere profecto possumus, legum originem et causas non possumus. Qui enim phaenomena tantum naturae consectantur, a recondita causarum primarum intelligentia semper tantundem absunt, neque magis unquam ad scientiam ipsius corporum naturae pertingent, quam qui altius atque altius montis cacumen ascendendo coelum se tandem manu contrectaturos esse sibi persuaderent.«

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  25. Das hat Kant schon in der Nova Elucidatio, Werke, a.a.O., Band I, S. 401 ff., von 1755 dargestellt.

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  26. Vgl. Hans Heinz Holz, Leibniz Frankfurt am Main/New York 1992, S. 39 ff.

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  27. Vgl. Wybe Sierksma, Zur Ontologie des Verstandes, Köln 1993.

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  28. Christian Wolff, Vernünfftige Gedanken von den Würckungen der Natur, Halle 1723.

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  29. Ebd., Vorrede (unpaginiert, S. 9 f).

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  30. Zum Kraftbegriff vgl. Kees Glimmerveen, The Force of Dialectics: on the Logical and Ontological Structures Concerning the Concepts of Force in Leibniz Kant and Hegel, Dissertation Groningen 1989.

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  31. Christian Wolff, Vernünfftige Gedanken, a.a.O., S. 18. Hier wird der Kantische »Schematismus« vorbereitet. Vgl. dazu Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 176 ff. Dort wird das Schema bestimmt als »ein Produkt der Einbildungskraft«, in dem jedoch »die Synthesis der letzteren keine einzelne Anschauung, sondern die Einheit in der Bestimmung der Sinnlichkeit allein zur Absicht hat.« Ebd. B 179.

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  32. Christian Wolff, ebd., S. 12.

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  33. Kant, Werke, ed. Weischeldel, a.a.O., Band I, S. 511 ff.: Metaphysicae cum Geometria iunctae usus in Philosophia Naturali, cuius specimen I. continet Monadologiam Physicam.

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  34. Ebd., S. 519: »Sed quo tandem pacto hoc in negotio metaphysicam geometriae conciliare licet, cum gryphes facilius equis quam philosophia transcendentalis geometriae iungi posse videantur? Etenim cum ilia spatium in infinitum divisibile esse praefractae neget, haec eadem, qua cetera solet, certitudine asseverat. Haec vacuum spatium ad motus liberos necessarium esse contendit, illa explodit.« Kant ahnt wohl schon die Tragweite des Problems, aber er weicht ihm noch aus: »Obgleich es keine kleine Arbeit scheint, diesen Streit beizulegen, habe ich mir vorgesetzt, wenigstens einige Mühe darauf zu verwenden; andere, deren Kräfte diesem Geschäft mehr gewachsen sind, sind dazu eingeladen, das zu Ende zu führen, bei dem ich vollauf damit zu tun haben werde, es hier bloss zu berühren.« »Quam litem cum componere haud parvi laboris esse appareat, saltem aliquid operae in eo collocare statui, aliis quorum vires magis sufficiunt huic negotio, ad ea perficienda invitatis, quae hic solum attingere satagam.« Ebd., S. 519.

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  35. Kreimendahl, a.a.O., S. 88 ff.

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  36. Im Abstract zum Treatise schreibt Hume über sich selbst, »that all our ideas, or weak perceptions, are derived from our impressions or strong perceptions, and that we can never think of anything which we have not seen without us or felt in our own minds.« — »(…) dass all unsere Vorstellungen oder schwachen Perzeptionen abgeleitet sind von unseren Eindrücken oder starken Perzeptionen, und dass wir niemals an irgendetwas denken können, das wir nicht ausserhalb von uns gesehen oder in unserem eigenen Geist gefühlt haben.«

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  37. John Locke, Essay concerning human understandinq — Versuch über den menschlichen Verstand, deutsch von C. Winckler, Hamburg 1981, Buch II, cap. 2, 1 und cap. 3,2, S. 127 und 130. Englisch: »Though the qualities that affect our senses are, in the things themselves, so united and blended, that there is no separation, no distance between them; yet it is plain, the ideas they produce in the mind enter by the senses simple and unmixed. For, though the sight and touch often take in from the same object, at the same time, different ideas; — as a man sees at once motion and colour; the hand feels softness and warmth in the same piece of wax: yet simple ideas thus united in the same object, are as perfectly distinct as those that come in by different senses. (…) I think it will be needless to enumerate all the particular simple ideas belonging to each sense. Nor indeed is it possible if we would; there being a great many more of them belonging to most of the senses than we have names for.« Vgl. David Hume, An Enquiry concerning human understanding — Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, deutsch von Raoul Richter, Leipzig o.J. (1949), S. 19: »Wir finden bei der Zergliederung unserer Gedanken oder Vorstellungen immer, seien sie auch noch so zusammengesetzt oder erhaben, dass sie sich in einfache Vorstellungen auflösen, die einem früheren Empfinden oder Gefühl nachgebildet sind.« Englisch: »When we analyse our thoughts or ideas, however compounded or sublime, we always find that they resolve themselves into such simple ideas as were copied from a precedent feeling or sentiment.«

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  38. Hume, Enquiry, deutsch a.a.O., S. 21: »Jede Schattierung erzeugt eine gesonderte, von den übrigen unabhängige Vorstellung. Wollte man dies leugnen, so wäre es möglich, durch eine stetige Abstufung der Schattierungen eine Farbe unmerklich in die ihr am fernsten stehende zu überfuhren.« Englisch: »Each shade produces a distinct idea, independent of the rest. For if this should be denied, it is possible, by the continual gradation of shades, to run a colour insensibly into what is most remote from it.«

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  39. Ebd., S. 25. Englisch: »Though it be too obvious to escape observation that different ideas are connected together, I do not find that any philosopher had attempted to enumerate or class all the principles of association — a subject, however, that seems worthy of curiosity. To me there appear to be only three principles of connection among ideas, name Resemblance, Contiguity in time or place, and Cause and Effect

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  40. Ebd., S. 43, 47 und 49. Englisch: »I say, then, that even after we have experience of the operations of cause and effect, our conclusions from that experience are not founded on reasoning or any process of the understanding. (…) In reality, all arguments from experience are founded on the similarity which we discover among natural objects, and by which we are induced to expect effects similar to those which we have found to follow from such objects. (…) For all inferences from experience suppose, as their foundation, that the future will resemble the past and that similar powers will be conjoined with similar sensible qualities.

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  41. Ebd., S. 55 f. Englisch: »All inferences from experience, therefore, are effects of custom, not of reasoning.«

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  42. A. J. Ayer, Hume, Oxford 1980, S. 60, 63, 69, 71.

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  43. Immanuel Kant, Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, Königsberg 1755, S. XXII, XXVIII, XXXIII.

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  44. Vgl. Kant, M. Immanuel Kants Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbjahre von 1765–1766, Königsberg, S. 9.

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  45. A. J. G. Baumgarten, Metaphysik, a.a.O., § 216 ff.

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  46. Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, Riga 1783, S. 8 f

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  47. Ebd.

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  48. Kant, Kritik der reinen Vernunft B XVI.

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  49. Vgl. hierzu Band I, Hauptstück II.

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  50. Andreas Hüllinghorst, Kants spekulatives Experiment, Köln 1992, hat plausibel gemacht, dass Kant hier ein Experiment vornimmt, bei dem er eine Versuchs-anordnung herstellt, durch die die erkenntnistheoretische Frage nach der Wahrheit für eine Behandlung freigegeben wird, die eine Verwicklung in die Paradoxien des Skeptizismus ausschliesst.

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Holz, H.H. (1998). Die Revolution der Denkart. In: Einheit und Widerspruch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03707-7_8

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