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Querelle du féminisme im 20. Jahrhundert:

Gab es „Feminismus” in Spätmittelalter und Früher Neuzeit? Eine historiographische Montage

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Querelles
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Zusammenfassung

Fast gleichzeitig wurden in den ersten Jahren unseres Jahrhunderts die Begriffe Querelle des Femmes (bald auch Querelle des Sexes) und „Feminismus” in die Sprache der Literatur- und Geschichtswissenschaft zur Frühen Neuzeit eingeführt, in erster Linie im Französischen und Englischen; später war, wenn auch nur vereinzelt und bezüglich der Geschlechterdebatten des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, von Querelle du Féminisme die Rede.1 Auch in einem anderen Sinn läßt sich von einer Querelle du Féminisme sprechen, nämlich für eine Debatte, die nur wenig jünger ist als die neuere Frauenbewegung: Hier geht es um die Verwendung, die Legitimität und den Nutzen des Begriffs „Feminismus” für Zeiten, die ihn nicht kannten, und somit als Anachronismus. Die Argumente in dieser Debatte sind vielfältig; Historikerinnen und Historiker, Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftler, die über das Spätmittelalter und die Frühe Neuzeit forschen, haben sich in dieser Frage unterschiedlich entschieden. Einige der Argumente und Entscheidungen werden hier vorgestellt. Während im Aufsatzteil des Bandes die Literaturwissenschaft stärker vertreten ist als andere Fächer, ist das Verhältnis in diesem Forum ein anderes: Es enthält Beiträge von vier Historikerinnen, vier Literaturwissenschaftlerinnen und einer Erziehungswis-senschaftlerin, unter ihnen Autorinnen aus Italien, Großbritannien, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten.

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Anmerkungen

  1. So hat Gerda Lerner The Women s Sharp Revenge vo. „Mary Tattle-well“ und „Joane Hit-Him-Home“ (1640, s. Fundstück.) aus ihrer Untersuchung mit der Begründung ausgeklammert, daß der Autor vermutlich ein Mann sei: Lerner 1995 (s. unten, Anm. 22), S. 355, Anm. 44. Zu seiner/ihrer umstrittenen Geschlechtszugehörigkeit vgl. Shepherd, Simon (Hg.): The Women‘s Sharp Revenge. New York 1985, S. 160f.; Henderson, Katherine Usher/McManus, Barbara F. (Hg.): Half Humankind. Contexts and Texts of the Controversy about Women in England, 1540–1640. Urbana, 1985, S. 20–24, und den Beitrag von Moira Ferguson in diesem Band. Zu männlichem Engagement für die Frauen vgl. Strauss, Sylvia: Traitors to the Masculine Cause. The Men’s Campaign for Women’s Rights. New York 1982.

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  2. Vgl. etwa Gössmann, Elisabeth (Hg.): Archiv für philosophie- und theologiegeschichtliche Frauenforschung. Bd. 1–6, München 1984–1994.

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  3. Gössmann, Elisabeth (Hg.): Das wohlgelahrte Frauenzimmer. München 1984 (Archiv für philosophie- und theologiegeschichtliche Frauenforschung, Bd. 1), S. 10; dies. (Hg.): Eva Gottes Meisterwerk. München 1985 (Archiv, Bd. 2), S. 49. Vgl. auch Esther Lauers Beitrag zu diesem Band.

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  4. Vgl. Opitz, Claudia: Streit um die Frauen? Die frühneuzeitliche „Querelle des femmes“ aus sozial- und frauengeschichtlicher Sicht. In: Historische Mitteilungen, Bd. 8, Nr. 1, 1995, S. 15–27, hier S. 26.

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  5. Zimmermann, Margarete: Feminismus und Feminismen. Plädoyer für die Historisierung eines umstrittenen Begriffs. In: Kroll, Renate/Zimmermann, Margarete (Hg.): Feministische Literaturwissenschaft in der Romanistik. Stuttgart 1995, S. 52–63.

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  6. Z. B. Evans, Richard: The Feminists. Women’s Emancipation Movements in Europe, America and Australasia 1840–1920. London 1977, S. 39 (Feminismus sei „the doctrine of equal rights for women, based on the theory of the equality of the sexes“). Vgl. auch Anm. 2 im Beitrag von Moira Ferguson zu diesem Band (zuerst erschienen 1986).

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  7. Insbesondere entsprachen sie nicht dem heute vorherrschenden feministischen Verständnis von „Gleichheit“. Vgl. z.B. Rendali 1985 (s. unten, Anm. 31); Bacchi, Carol Lee: Same Difference. Feminism and Sexual Difference. St. Leonards (Australien) 1990.

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  9. Zu den genannten Begriffen vgl. Brunner, Otto/Conze, Werner/Koselleck, Reinhart (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Bd. II, Stuttgart 1975, S. 153–197, 425–542, 997–1046.

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  10. Vgl. Hufton, Olwen: Aufrührerische Frauen in traditionalen Gesellschaften: England, Frankreich und Holland im 17. und 18. Jahrhundert. In: Geschichte und Gesellschaft, Bd. 18, 1992, S. 423–45; dies.: The Prospect Before Her. A History of Women in Western Europe. Bd. 1: 1500–1800. London 1995, Kap. 12; dies.: Women and the Limits of Citizenship in the French Revolution. Toronto 1992; Godineau, Dominique: Citoyennes tricoteuses. Les femmes du peuple à Paris pendant la Révolution française. Aix-en-Provence 1988. In diesen, anders als in vielen anderen Arbeiten über Frauen in der Französischen Revolution, wird der Begriff „Feminismus“ so gut wie nicht verwendet.

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  11. Letztere kommen in Geschichtliche Grundbegriff. nicht vor, und im Beitrag „Emanzipation“ (s. oben, Anm. 12) ist die Frauenemanzipation recht stiefväterlich behandelt. Vgl. aber Frevert, Ute: Geschlecht — männlich/weiblich. Zur Geschichte der Begriffe (1730–1990). In: Dies.: „Mann und Weib, und Weib und Mann“. Geschlechterdifferenzen in der Moderne. München 1995, S. 13–60.

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  12. Baader, Renate: Dames de Lettres. Autorinnen des preziösen, hocharistokratischen und „modernen“ Salons (1649–1698). Stuttgart 1986, bes. S. 278–285. Maclean hingegen zieht dafür „Feminismus“ vor: Maclean, Ian: Woman Triumphant. Feminism in French Literature, 1610–1652. Oxford 1977, S. VIIf.

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  16. Der Beitrag wurde für diesen Band verfaßt (übers. von Gisela Bock). Zu den beiden im folgenden genannten Feministinnen vgl. Buttafuoco, Annarita/Zancan, Marina (Hg.): Svelamento. Sibilla Aleramo: una biografia intellettuale. Mailand 1988; Buttafuoco, Annarita: Cronache femminili. Temi e momenti della stampa emancipazionista in Italia dall‘Unità al Fascismo. Siena 1988; dies. (Hg.): Franca Pieroni Bortolotti: Sul movimento politico delle donne. Rom 1987.

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  23. Mossink, Marijke: Tweeërlei Strooming? „Ethisch“ en „rationalistisch“ feminisme tijdens de eerste golf in Nederland. In: Socialisties-Feministiese Teksten. Bd. 9, Ambo 1986, S. 104–120. Anfang der 80er Jahre startete eine einflußreiche feministische Gruppe in Amsterdam eine Kampagne gegen den „Differenz-Feminismus“, wie er angeblich im „Mutterkult“ von Adrienne Rich zum Ausdruck komme. Historische Argumente spielten dabei eine große Rolle, und umgekehrt spielten aktuelle Argumente eine große Rolle in den historischen Ausflügen. So wurde die „ethische Feministin“ Clara Wichmann als „protofaschistisch“ etikettiert. Dieses Urteil schießt offensichtlich über die Grenzen anständiger Argumentation hinaus, doch in den Anfängen der neueren Frauengeschichtsschreibung war es gängige Münze.

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  24. Einflußreich hierbei war in den Niederlanden auch: Bock, Gisela: Women, Gender, and Dichotomies in History. In: Jaarboek voor Vrouwengeschiedenis, Bd. 10, 1989, S. 79–98; gekürzte Version: Challenging Dichotomies: Perspectives on Women‘s History. In: Offen, Karen u.a. (Hg.): Writing Women’s History. Bloomington 1991, S. 1–23.

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  26. Schwegman, Marjan, De strijd tegen de „mannelijke“ blik. In: Tijdschrift voor Vrouwenstudies, Jg. 11, Nr. 2, 1990, S. 184–196, hier S. 195.

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  28. Etty, Elsbeth: Liefde is heel het leven niet. Henriette Roland Holst 1869–1952. Amsterdam 1996. Zwar erklärt die Autorin, Feminismus nicht im vorhinein definieren zu wollen, aber ihr Text zeigt, daß sie ein ganz präzises Verständnis davon unterstellt. Das führt sie zu recht vorhersehbaren Urteilen (reproduziert wird der alte Gegensatz zwischen Sozialismus und Feminismus) und keineswegs zu einer neuen Weise, das Leben der sozialistischen Dichterin in geschlechtergeschichtlichen Termini zu sehen.

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Bock, G. (1997). Querelle du féminisme im 20. Jahrhundert:. In: Bock, G., Zimmermann, M., Kopyczinski, M. (eds) Querelles. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03690-2_13

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