Zusammenfassung
Die Geschichte ist mittlerweile berühmt. Als man Gaetano Salvemini in Harvard erzählte, daß eine vollständige englische Übersetzung von Vicos Scienza Nuova im Erscheinen begriffen sei, war seine Begeisterung unermeßlich: »L’Inglese è una lingua onesta. Di Vico non rimarrà nulla.« (Das Englische ist eine ehrliche Sprache. Von Vico wird nichts übrigbleiben.) Dies war der Protest eines italienischen Positivisten gegen die Verwendung und den Mißbrauch Vicos in der italienischen idealistischen Tradition. Aber Vico hat sogar seine englischen Übersetzer überlebt, wie er auch seine idealistischen Interpreten überlebt hatte. Als einer der wenigen wirklich großen Geister im Bereich der Geschichte entzieht er sich noch immer seinen eigenen Historikern. Die erste Schwierigkeit besteht darin, die genaue historische Situation zu bestimmen, in der man ihn ihn verorten kann. In diesem Vortrag werde ich mit einer recht dogmatischen Aussage dazu beginnen, was mir seine Position im italienischen Denken des frühen 18. Jahrhunderts zu sein scheint. Dann werde ich dazu übergehen, diese Position genauer zu illustrieren, und zwar mit besonderer Berücksichtigung der letzten Version der Scienza Nuova. In meinem letzten und längsten Abschnitt werde ich schließlich Bemerkungen über Vicos Interpretation der frühen römischen Geschichte machen.
Momigliano befaßte sich über Jahrzehnte hinweg mit der Deutung von Vicos Scienza Nuova. Dabei wollte er vor allem die Tradition der Vico-Studien fortsetzen, die um 1900 von Benedetto Croce und Fausto Nicolini begründet worden war. Fortgeführt wurden diese Studien in der letzten Zeit nicht nur von ihm selbst, sondern auch von Paolo Rossi, Gianfranco Cantelli, Harold Stone u.a. Ihnen kam es vor allem darauf an, die Quellen zu identifizieren, die Vico benutzte, was ziemlich schwer fiel, weil Vico des öfteren mißverstand, was er las, oder Werke zitierte, die er überhaupt nie gelesen hatte. Sie versuchten auch, die intellektuellen Kreise des Königreichs Neapel zu rekonstruieren, um zu überprüfen, ob Vicos Selbststilisierung als völlig isolierter Denker mit der historischen Wahrheit übereinstimmte. Momiglianos Forschungen ragten aus der immensen Vico-Literatur heraus, weil er sich nicht nur in die Scienza Nuova, sondern auch in die ganze historische, juristische und philologische Tradition vertieft hatte wie kein anderer vor ihm. Seine einzigartigen Kenntnisse ermöglichten ihm zu erklären, warum Vicos Entdeckung, daß die ersten Heiden Barbaren gewesen waren, fast kein Echo fand, obwohl sich viele italienische Wissenschaftler mit denselben chronologischen Problemen befaßten, die Vico glaubte gelöst zu haben; er konnte auch nachweisen, daß Vicos intuitive Deutung der Zwölf-Tafel-Gesetze höchst originell war. Momiglianos Aufsatz bietet noch heute die beste Schilderung des historischen Kontexts, in dem Vico arbeitete.
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Literatur
P. Burke, Vico, Oxford 1985.
G. Cantelli, Vico e Bayle, Neapel 1971.
M. Mooney, Vico in the Tradition of Rhetoric, Princeton 1985.
F. Nicolini, Commento storico alla seconda Scienza Nuova, 2 Bde, Rom 1949–50.
P. Rossi, Lesterminate antichità, Pisa 1969.
H. Stone, Vico’s Cultural History, Leiden 1997.
G. B. Vico, hg. v. F. Nicolini, La Scienza Nuova giusta l’edizione del 1744, 3 Bde, Neapel 1911–1916.
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Momigliano, A. (1999). Römische Hünen und Helden in Vicos Scienza Nuova. In: Grafton, A. (eds) Ausgewählte Schriften zur Geschichte und Geschichtsschreibung. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03683-4_10
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