Zusammenfassung
Klatschspalten und Regenbogenpresse leben von schamlos veröffentlichten Intimitäten der Prominenz. Die Krankheiten der sog. »großen« Männer finden Interesse auch in gehobeneren Kreisen. In einer traditionellen Medizingeschichte bilden »Pathographien« ein eigenes Genre, das heute etwas aus der Mode gekommen ist. Pathographien haben die »großen« Frauen daher kaum erst erreicht — dies nun einmal ein Vorteil verspäteter Gleichstellung. Gleichwohl: Handelt es sich um Männer, die auch heute noch von Bedeutung sind, sind solche Krankengeschichten durchaus relevant, gelegentlich auch über einen engeren Kreis hinaus interessant. So machte das »Gehirn« Lenins kürzlich Aufsehen in Wissenschaft und Literatur. Gerät der »Große« durch seine Krankheit ins Zwielicht, ist das Interesse um so breiter: Wahnsinn oder Syphilis, vielleicht gar beides, das regt Phantasie und Gerüchte an. Vor allem: Man kann mitsprechen, ohne sich ein sachgerechtes, aus dem Werk resultierendes Urteil bilden zu müssen. Ist der Kranke gar Jude und ein kluger Mann, der es eher selten darauf anlegte zu gefallen, kann das Urteil über die Krankheit bestimmen, wie man sich zum Denker oder Dichter zu verhalten hat. »Heinrich Heine, Jude, Syphilitiker, Kritiker: ab in den Orkus mit ihm« — so die eine törichte Version. »Wer behauptet, Heinrich Heine sei Syphilitiker gewesen, ist Banause und Antisemit zugleich« wäre das zwar genehmere, aber gleichwohl ebenso törichte Gegenstück.
»Heine ist unbewußter Ironiker, Schalk gegen sich selbst«
(frei nach Friedrich Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen)
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Montanus, H., auf der Horst, C., Labisch, A. (1996). Der kranke Heinrich Heine. In: Kruse, J.A. (eds) Heine-Jahrbuch 1996. Heine-Jahrbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03674-2_19
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