Gloria E. Anzaldúa (* 1942)

Zusammenfassung

»Keiner wird mich mehr zwingen, mich meiner Existenz zu schämen. Ich werde meine Stimme finden: indianisch, spanisch, weiß. Ich werde meine Schlangenzunge — meine Frauenstimme, meine sexuelle Stimme, meine Dichterstimme finden. Ich werde das traditionelle Schweigen überwinden.« So schreibt die in Deutschland weitgehend unbekannte Gloria Anzaldúa, lesbisch-feministische Autorin von Gedichten, Geschichten, Kinderbüchern, Herausgeberin zweier preisgekrönter Anthologien, Dozentin für Chicano-und Frauenstudien, u. a. in Texas, San Francisco, Vermont, in Borderland/La Frontera (1987). Wird unter ›Lesben-Literatur‹ das Werk einer Chicana-Lesbe gesucht und vielleicht sogar gefunden, kann davon ausgegangen werden, daß Anzaldúa es war, die der Autorin den Weg geebnet, den Rücken gestärkt, den Mut zum Schreiben gegeben und eine Stimme verliehen hat. Unermüdlich und hartnäckig kämpfte sie darum, das Schweigen, das Frauen aus nicht weiß-westlichem Einflußbereich umgibt, zu durchbrechen. Ein auferlegtes, selbstauferlegtes, angenommenes Schweigen, in dem noch heute Legionen von Frauen in aller Welt, die nicht zur herrschenden, meinungsbildenden, westlichweißen Gesellschaftsschicht gehören, unweigerlich zu ersticken drohen und zu dessen Überwindung weißer akademischer Feminismus wenig beigetragen hat.