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Männerfreundschaften — politische Freundschaften? Männerbeziehungen in der römischen Aristokratie des Prinzipats

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Wann ist der Mann ein Mann?
  • 347 Accesses

Zusammenfassung

In Rom »werden politische Verbindungen, die […] von uns nicht als Freundschaften bezeichnet zu werden pflegen, schlechthin amicitiae genannt. Es sind einmal Bündnisse, die die Mächtigen der Nobilität und ihre Sippen miteinander eingehen, um sich in den Angelegenheiten der inneren und äußeren Politik und vor allem bei Bewerbungen um die großen Staatsämter gegenseitig zu unterstützen, amicitiae sind aber auch die zwanglosen Verbindungen jener Großen mit ihren Anhängern.«1 Karl Meister faßt ein breites Spektrum von Männerbeziehungen unter den römischen Begriff der ›Freundschaft‹, von den politischen Ent-scheidungs- und Wahlbündnissen bis zu jenen ungleichen Beziehungen, die so »zwanglos«, wie er schreibt, auch wieder nicht sind: Manch einer war angewiesen auf das Geldgeschenk oder die Einladung zum Essen, die er erhielt unter der Voraussetzung, daß er sich regelmäßig zum Morgenempfang (salutatio) eines der Großen der römischen Gesellschaft begab, um so seine Freundschaft zu beweisen.2

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Anmerkungen

  1. Karl Meister, »Die Freundschaft zwischen Horaz und Maecenas«, in: Hans Oppermann (Hrsg.), Römische Wertbegriffe, Darmstadt 1967, S. 323–329, hier: S. 325–26 (Hervorhebung im Text).

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  2. Richard P. Sailer, »Martial on Patronage and Literature«, Classical Quarterly 33 (1983), S. 246–257, zeigt, wie selbst ein geachteter Dichter wie Martial dieser ihm verhaßten Pflicht der Präsenz bei den Empfängen der Aristokraten nachkommen mußte, um seinen aufwendigen Lebensstil finanzieren zu können.

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  3. Matthias Geizer, Die Nobilität der römischen Republik, Stuttgart 1983, S. 49–56.

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  4. Zu den von Gabentausch geprägten Gesellschaften der griechisch-römischen Antike vgl. das grundlegende Werk von Paul Veyne, Le pain et le cirque. Sociologie historique d’un pluralisme politique, Paris 1976, (dt.: Brot und Spiele. Gesellschaftliche Macht und politische Herrschaft in der Antike, Frankfurt a. M./New York 1992) Trotz der hier festgestellten Gemeinsamkeit lassen sich die Forschungsansätze grundlegend in eine »politische« und »soziale« Prosopographie unterscheiden,

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  5. vgl. Jean-Michel David, Le patronat judiciaire au dernier siècle de la Republique romaine, Rom 1992, S. XIII–XIV.

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  6. Zu Freundschaft als Element des Patronatssystems im Prinzipat vgl. etwa Peter Garnsey, Richard P. Salier, The Roman Empire. Economy, Society and Culture, London 1987, S. 151–156, sowie

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  7. Richard P. Salier, Personal Patronage under the Early Empire, Cambridge 1982, S. 11–15.

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  8. Zahlreiche Studien untersuchen politische Freundschaften in der Zeit der Republik: vgl. Elisabeth Deniaux, Clienteies à l’époque de Cicéron, Rom 1993, und

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  9. Jörg Spielvogel, Amicitia und res publica. Ciceros Maxime während der innenpolitischen Auseinandersetzungen der fahre 59–50 v. Chr., Stuttgart 1993, S. 5–19, sowie David (Anm. 4), S. 195–211.

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  10. Gegen Norbert Roulands (Pouvoir politique et dépendance personnelle dans l’Antiqité romaine. Genèse et rapport de clientèle, Bruxelles 1979, S. 573–578) These einer klaren Trennung von Freundschafts- und Patronatsbeziehungen ziehe ich P. A. Brunts (»›Amicitia‹ in the Roman Republic«, in: P.A. Brunt (Hrsg.), The Fall of the Roman Republic and Related Essays, Oxford 1988, S. 351–381) differenzierte Sichtweise vor.

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  11. Cicero konstruiert ein Freundschaftsideal vor allem in den Schriften Laelius (»Laelius. Über die Freundschaft«) und de officiis (»Vom pflichtgemäßen Handeln«); das Thema ist auch in zahlreichen seiner Briefe angesprochen. Zu Senecas Freundschaftsentwürfen, die sich vor allem in seinen philosophischen Lehrbriefen ad Lucilium finden, vgl. Ulrich Knoche, »Der Gedanke der Freundschaft in Senecas Briefen an Lucilius«, in: Gregor Maurach (Hrsg.), Seneca als Philosoph, Darmstadt 1987, S. 149–166. Aloys Winterling spricht diese Freundschaftsideale und die Diskrepanz zur alltäglichen Freundschaftspraxis an in seinem Vortrag, den er am 11. Juni 1995 vor der Mommsen-Gesellschaft in Marburg hielt, und der demnächst publiziert werden soll: »Mitarbeiter oder Höflinge? Die ›Freunde‹ der römischen Kaiser«. Ich danke dem Autoren dafür, daß er mir großzügig sein Manuskript zur Verfügung stellte.

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  12. Vgl. Joan Wallach Scott, »Gender: A Useful Category of Historical Analysis«, in: Joan Wallach Scott, Gender and the Politics of History, New York/Oxford 1988, S. 28–50,

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  13. und Gisela Bock, »Geschichte, Frauengeschichte, Geschlechtergeschichte«, Geschichte und Gesellschaft 14 (1988), S. 364–391.

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  14. Spezifisch für den Bereich der Alten Geschichte vgl. Thomas Späth, Männlichkeit und Weiblichkeit hei Tacitus. Zur Konstruktion der Geschlechter in der römischen Kaiserzeit, Frankfurt a. M./New York 1994, S. 13–21.

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  15. Zu diesem System der »Makler-Patronage« vgl. Salier (Anm. 5), S. 74–78, kritisch dazu Dirk Barghop, Forum der Angst. Eine historisch-anthropologische Studie zu Verhaltensmustern von Senatoren im Römischen Kaiserreich, Frankfurt a. M./ New York 1994, S. 76–79,

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  16. sowie Egon Flaig, Den Kaiser herausfordern. Die Usurpation im Römischen Reich, Frankfurt a. M./New York 1992, S. 100–117.

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  17. Hans Peter Bütler, Die geistige Welt des jüngeren Plinius. Studien zur Thematik seiner Briefe, Heidelberg 1970, S. 94. Eine Erklärung, wie der Römer Plinius italianità aufweisen kann, bleibt der Autor schuldig.

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  18. Vgl. die kritische Literaturübersicht bei Klaus Zelzer, Untersuchungen zum Charakter der Briefsammlung des jüngeren Plinius, Wien 1962,

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  19. sowie Klaus Zelzer, »Zur Frage des Charakters der Briefsammlung des jüngeren Plinius«, Wiener Studien 1977 (1964), S. 144–161.

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  20. Vgl. A. N. Sherwin-White, The Letters of Pliny. A Historical and Social Commentary, Oxford 1966, S. 11–20,

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  21. und Etienne Aubrion, »La ›Correspondance‹ de Pline le Jeune: Problèmes et orientations actuelles de la recherche«, in: Wolfgang Haase (Hrsg.), Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt,Teil II: Principat, Band 33: Sprache und Literatur, 1. Teilband, Berlin/New York 1989, S. 304–374, hier: S. 315–323.

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  22. Jo-Ann Shelton, »Pliny the Younger, and the Ideal Wife«, Classica & Mediaevalia 41 (1990), S. 163–186, hier: S. 164.

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  23. Dazu Barghop (Anm.9), S. 150–159, und Egon Flaig, »Politisierte Lebensführung und ästhetische Kultur. Eine semiotische Untersuchung am römischen Adel«, Historische Anthropologie 1 (1993), S. 193–217, hier: S. 197–199, sowie Egon Flaig, »Die Pompa Funebris. Adlige Konkurrenz und annalistische Erinnerung in der Römischen Republik«, in: Otto Gerhard Oexle (Hrsg.), Memoria als Kultur, Göttingen 1995, S. 115–148, hier: S. 121–133.

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  24. Vgl. Thomas Späth, »Texte et Tacite. Proposition d’un modèle du texte historiographique«, Storia della Storiografia 26 (1994), S. 2–38, hier: S. 29–33, zum Text als nicht auf Individualität reduzierbare diskursive (und damit: gesellschaftliche) Praxis.

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  25. Empfehlungsschreiben sind die Briefe 2.13, 3.2, 4.4, 4.15, 7.22, 7.31; die Förderung von Freunden erwähnt Plinius etwa in 1.19, 2.9, 6.11, 6.23, 6.25. Vgl. Henriette Pavis D’Escurac, »Pline le Jeune et les lettres de recommandation«, in: Edmond Frézouls (Hrsg.), La mobilité sociale dans le monde romain. Actes du colloque organisé à Strasbourg (novembre 1988) par V Institut et le Groupe de Recherche d’Histoire Romaine, Strasbourg 1992, S. 55–69.

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  26. Ein paterfamilias wird in Rom jeder Mann beim Tod seines Vaters, die Frage, ob er, physiologisch oder per Adoption, Vater von Kindern ist, spielt dafür keine Rolle. Vgl. W. K. Lacey, »Patria potestas«, in: Beryl Rawson (Hrsg.), The Family in Ancient Rome. New Perspectives, London/Sydney 1986, S. 121–144,

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  27. sowie Yan Thomas, Vitae necisque potestas. Le père, la cité, la mort«, in: Yan Thomas, Du châtiment dans la cité, Rom 1984, S. 499–548.

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  28. Daß ein so dichtes Netz von wechselseitigen Verpflichtungen (das sekundär die erstrangigen Solidaritäten der Familie in agnatischer wie kognatischer Linie überlagerte) notwendig zu konkurrierenden Abhängigkeiten fuhren mußte, liegt auf der Hand: Ein römischer Aristokrat hatte sich von Fall zu Fall zwischen Solidaritäten zu entscheiden und besaß zugleich die Möglichkeit, damit zu spielen, vgl. David (Anm. 4), S. 195 und S. 207–211, sowie Philippe Moreau, »La parenté par alliance dans la société romaine«, in: Jean Andreau, Hinnerk Bruhns (Hrsg.), Parenté et stratégies familiales dans l’Antiquité romaine, Rom 1990, S. 3–26, hier: S. 19–20,

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  29. und Egon Flaig, »Loyalität ist keine Gefälligkeit. Zum Majestätsprozeß gegen C. Silius 24 n. Chr.«, Klio 75 (1993), S. 289–305, hier: S. 300–301. Speziell zu Plinius: Pavis d’Escurac (Anm. 22).

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  30. amicitia geht schon im frühen lateinischen Wortgebrauch (3. Jahrhundert v. u. Z.) über die Beziehungen von Individuen hinaus und wird als völkerrechtlicher Begriff verwendet, vgl. Werner Dahlheim, Struktur und Entwicklung des römischen Völkerrechts im dritten und zweiten fahrhundert v. Chr., München 1968, S. 136–158 und andernorts.

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  31. Michel Foucault, Histoire de la Sexualité, Bd. 3: Le souci de soi, Paris 1984, S. 101–117,

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  32. sowie Paul Veyne, »La famille et l’amour sous le Haut-Empire romain«, Annales E.S.C. 33 (1978), S. 35–63, hier: S. 37.

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  33. Vgl. etwa Peter Brown, Genèse de l’Antiquité tardive, Paris 1983 (darin: Paul Veynes Préface, VII–XXII; engl. Erstausgabe: The Making of Late Antiquity, 1978),

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  34. sowie Peter Brown, Die Keuschheit der Engel. Sexuelle Entsagung, Askese und Körperlichkeit im frühen Christentum, München 1991 (engl. Erstausgabe: The Body and Society. Men, Women, and Sexual Renunciation in Early Christianity, 1988).

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  35. Jürgen von Ungern-Sternberg danke ich für zahlreiche nützliche Hinweise, Margrit Tröhler für die Lektüre einer ersten Version dieses Textes und die ermutigende Kritik; ebenso danke ich Renate Zoepffel, die mir eine unter ihrer Leitung entstandene Zulassungsarbeit zugänglich machte: Annette Wickenhöfer, Officium amicitiae. Freundschaft und ihre gesellschaftliche Funktion in den Briefen des jüngeren Plinius, Freiburg i. Br. 1992.

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Späth, T. (1997). Männerfreundschaften — politische Freundschaften? Männerbeziehungen in der römischen Aristokratie des Prinzipats. In: Erhart, W., Herrmann, B. (eds) Wann ist der Mann ein Mann?. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03664-3_9

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