Skip to main content

Wie ›männlich‹ ist der Wille? Ein philosophischer Grundbegriff, andersherum gedacht

  • Chapter
  • 346 Accesses

Zusammenfassung

Der Begriff des Willens ist eine grundlegende Kategorie der abendländischen Ethik. Wenn die Griechen auch keine Theorie des Willens als einer »Fakultät« des menschlichen Geistes entwickelten, so nahmen doch schon bei Platon und Aristoteles Fragen nach dem richtigen Wollen einen zentralen Platz innerhalb ethischer Überlegungen ein. Für das römische Recht war dann entscheidend, wie die voluntas des Täters oder des Vertragschließenden zu ergründen sei, etwa durch »subjektive« Kriterien wie Meinungsäußerungen oder durch »objektive« Handlungen. Die Geschichte des Christentums wäre nicht zu denken ohne die Debatten über das Verhältnis zwischen dem göttlichen (unendlichen) und dem menschlichen (freien?) Willen. Das Projekt der Moderne formierte sich während der Aufklärung im Zeichen eines neuen Handlungsbegriffs, der die absolute Autonomie des Menschen aus der unerschütterlichen Grundlage des menschlichen Willens zu begründen versuchte. Und die Frage, ob dieses Projekt schon vollendet oder noch unvollendet sei, steht explizit oder implizit im Mittelpunkt eines postmodernen Zweifels an der bisher geglaubten Möglichkeit unabhängigen Handelns — sie ist also selbst in ihrem Zweifel noch dem Glauben an die willensbestimmte Existenz des Menschen verpflichtet.1

This is a preview of subscription content, log in via an institution.

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu auch meinen Aufsatz: John H. Smith, »Was erben wir vom Willen der Aufklärung?«, in: Wolfgang Klein und Waltraud Naumann-Beyer (Hrsg.), Nach der Aufklärung? Beiträge zum Diskurs der Kulturwissenschaften, Berlin 1996, S. 263–276.

    Google Scholar 

  2. Auch eine Anspielung auf Alice Jardine, »Men in Feminism: Odor di Uomo or Compagnons de Route?«, in: Alice Jardine, Paul Smith (Hrsg.), Men in Feminism, New York/London 1987, S. 54–61.

    Chapter  Google Scholar 

  3. Sigmund Freud, Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, Frankfurt a. M. 1920, S. 46.

    Google Scholar 

  4. Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung II [1844], Zürich 1977.

    Google Scholar 

  5. Zu diesem Thema vgl. meinen Aufsatz: John H. Smith, »Abulia: Sexuality and Diseases of the Will in the Late Nineteenth Century«, Genders 6 (1989), S. 102–124.

    Google Scholar 

  6. Carl Heinrich Ulrichs, Forschungen über das Räthsel der mannmännlichen Liebe, Leipzig 1898 (Reprint New York 1975). Die dort veröffentlichten Abhandlungen erschienen freilich sehr viel früher: Numa Numatius [Pseudonym für Carl Heinrich Ulrichs], Vindex, Inclusa, Vindicata, Formatrix, Ara spei. Fünf Schriften über die mannmännliche Liebe, Leipzig 1864/1965.

    Google Scholar 

  7. Xavier Mayne, The Intersexes: A History of Similisexualism as a Problem in Social Life, Rom 1908 (Reprint New York 1975), S. 1–3.

    Google Scholar 

  8. Seine wissenschaftlichen Ergebnisse und historisch-soziologischen Darstellungen sind auch in seinem monumentalen Werk: Magnus Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, Berlin 1913 und 1920, enthalten.

    Google Scholar 

  9. Steven Epstein, »Gay Politics, Ethnic Identity: The Limits of Social Constructionism«, in: Edward Stein (Hrsg.), Forms of Desire: Sexual Orientation and the Social Constructionist Controversy, New York/London 1992, S. 239–293.

    Google Scholar 

  10. Michael Warner (Hrsg.), Fear of a Queer Planet. Queer Politics and Social Theory, Minneapolis 1993, S.VII–XXXI, hier: S. XXXV.

    Google Scholar 

  11. Vgl. Jacques Lacan, »Kant mit Sade«, Schriften II, Olten/Freiburg 1975, S. 133–163.

    Google Scholar 

  12. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werke in 20 Bänden, Bd. VII, Frankfurt 1970.

    Google Scholar 

  13. »Ein Verständnis von praktisch jedem Aspekt der modernen westlichen Kultur muß nicht nur unvollständig bleiben, sondern ist sogar in seiner zentralen Substanz beeinträchtigt, solange eine kritische Analyse der modernen Homo/Heterosexuellen-Definition unterbleibt.« Eve Kosofsky Sedgwick, Epistemology of the Closet, Ithaca/New York 1990, S. 1.

    Google Scholar 

  14. Judith Butler, »Contingent Foundations. Feminism and the Question of ›Postmodernism‹«, in: Judith Butler, Joan W. Scott (Hrsg.), Feminists Theorize the Political, New York/London 1992, S. 7–19, hier: S. 13.

    Google Scholar 

  15. Chantal Mouffe, »Feminism, Citizenship, and Radical Democratic Politics«, in: Butler, Scott (Anm. 22), S. 369–384. Diana Fuss, Essentially Speaking. Feminism, Nature and Difference, New York/London 1989.

    Google Scholar 

  16. Judith Butler kritisiert diese Annahme eines »souveränen« Subjekts in ihrem Beitrag: Judith Butler, »Burning Acts: Injurious Speech«, in: Anselm Haverkamp (Hrsg.), Deconstruction is/in America: A New Sense of the Political, New York/London 1995, S. 149–180.

    Google Scholar 

  17. Susan Brownmiller, Gegen unseren Willen. Vergewaltigung und Männerherrschaft, Frankfurt a. M. 1978.

    Google Scholar 

  18. Mit unterschiedlichen Nuancen und politischen Interessen findet man dieses Argument in Susan Faludi, Die Männer schlagen zurück. Wie die Siege des Feminismus sich in Niederlagen verwandeln und was Frauen dagegen tun können, Hamburg 1993,

    Google Scholar 

  19. und Naomi Wolf, Die Stärke der Frauen. Gegen den falsch verstandenen Feminismus, München 1993,

    Google Scholar 

  20. sowie Christina Sommers, Who Stole Feminism? How Women Have Betrayed Women, New York 1994.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Editor information

Walter Erhart Britta Herrmann

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1997 Springer-Verlag GmbH Deutschland

About this chapter

Cite this chapter

Smith, J.H. (1997). Wie ›männlich‹ ist der Wille? Ein philosophischer Grundbegriff, andersherum gedacht. In: Erhart, W., Herrmann, B. (eds) Wann ist der Mann ein Mann?. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03664-3_5

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03664-3_5

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-01456-6

  • Online ISBN: 978-3-476-03664-3

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

Publish with us

Policies and ethics