Zusammenfassung
Die empirische Betrachtungsweise der Naturwissenschaften hat gegenüber anderen Philosophien den Vorteil, daß sie im allgemeinen sehr beruhigend wirkt. Sie leugnet nicht das Übel in der Welt, aber sie gibt ihm Namen, und das erscheint immerhin wie ein erster Schritt, um es in den Griff zu bekommen. Aus ihrer Perspektive bleiben die Dinge, so kompliziert sie auch sein mögen, eigentlich immer sehr einfach, denn sie haben Eigenschaften, die man erkennen, beweisen, benennen kann. Damit nimmt der empirische Blick die Welt in Besitz. Die Naturgesetze werden erkannt und verstanden und in den Bildungsstätten als nötiges Rüstzeug für ein Leben in einiger Gelassenheit gelehrt. Über viele Jahrhunderte sahen die Menschen, was sie glaubten, und das konnte sehr beängstigend sein. Heute zeigt sich mehr denn je die Tendenz, zu glauben, was man sieht; die Reservate des Abgründigen scheinen zu schrumpfen, und mancher böse Geist ist vertrieben. Indem der Empiriker die Dinge benennt, weist er ihnen ihren Platz in der Welt der Erscheinungen zu und entwirft ein Koordinatensystem, in dem wir uns mit einiger Sicherheit orientieren können. Der empirische Forscher ist demnach einem Immobilienmakler vergleichbar, der mit gewinnendem Lächeln die Geheimnisse eines Objekts erklärt, in dem sich der Käufer bald behaglich einrichten kann: Links ist die Küche, rechts das Bad. Doch der Makler hat die Wohnung nicht selbst gebaut, und es wird immer Winkel geben, die seiner Aufmerksamkeit entgehen, und wer mag dafür einstehen, daß nicht gerade das Übersehene von entscheidender Bedeutung ist?
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Anmerkungen
Zehentbauer, p. 11.
Rees (1961), p. 4.
Fackert, p. 84.
Masters (1969), p. 123.
In ähnlichem Kontext schreibt Begley anläßlich der von Hobson und McCarley publizierten biochemischen Begründung des Träumens: „Träume erscheinen nie mächtiger als wenn sie ein Problem lösen. … Als Elias Howe versuchte, eine Maschine zu erfinden, die nähen konnte, träumte er angeblich, er sei von Wilden gefangengenommen, die Speere mit Löchern in den Spitzen trugen. Beim Erwachen erkannte Howe, daß er das Loch für den Faden ans Ende der Nadel verlegen müsse, nicht in die Mitte. Solche Inspirationen erscheinen wahrhaftig wie Göttergeschenke, und bloße Biochemie kann die Kreativität von Träumen nicht erklären.“ (pp. 37/38)
Schmidbauer, Wolfgang und Jürgen vom Scheidt: Handbuch der Rauschdrogen, p. 34.
Dupouy, pp. 102/103. — Die wiedergegebene Passage ist ein Zitat aus Michaut: „Note sur l’intoxication morphinique par la fumée d’opium; opiomanie; état mental des fumeurs“, Bulletin général de thérapie médical et chirurgique, 1893, p. 462.
Ropp [1964], p. 132.
Spode, p. 183.
Zit. nach Day, p. 418.
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Kupfer, A. (1996). Kritik der Rauschkritik: Zum empirischen Realitätsverständnis. In: Die künstlichen Paradiese. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03658-2_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03658-2_7
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