Zusammenfassung
Gelehrsamkeit und kulturelle Emanzipation — der thematische Schwerpunkt des ersten Bandes von Querelles. Jahrbuch für Frauenforschung formuliert zugleich ein Erkenntnisinteresse: Es wird danach gefragt, welche Möglichkeiten Frauen in vergangenen Jahrhunderten hatten, sich als Gelehrte Zugang zum kulturellen Prozeß zu verschaffen. Der Begriff der kulturellen Emanzipation (Bennholdt-Thomsen/Guzzoni) signalisiert, daß für Frauen die Teilhabe an der Kulturproduktion einen emanzipatorischen Charakter haben konnte. Und er verweist darauf, daß es für sie unterschiedliche Wege gab, sich einen eigenen Ort innerhalb der vielfältigen Formen einer primär männlich definierten Kultur zu erobern. Da sich jedoch die Frage stellt, ob diese Möglichkeiten auf den kulturellen Bereich beschränkt blieben, kann hier kein emphatischer Begriff von Emanzipation entwickelt werden. Die Beiträge dieses Bandes verfolgen lediglich Entwicklungslinien und arbeiten Widersprüche heraus.
„Ein gelehrtes Frauenzimmer ist also eine Person, welche weiß, was ein Gelehrter weiß, ob sie dasselbe gleich nicht so wie er weiß, und noch vielweniger so gelernt hat. Es verhält sich gegen die Gelehrten, wie gegen die Kaufleute. Der Kaufmann geht zu Schiffe, und holt aus Norden die Zobel, und aus Indien die Diamanten und Perlen. Das Frauenzimmer bekommt diese Schätze, es ziert sich damit aus, und es ist eben so gut, als wenn es selber zu Schiffe gegangen wäre.”1
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Anmerkungen
Hier sind vor allem hervorzuheben: Gössmann, Elisabeth (Hg.): Archiv für philosophie-und theologiegeschichtliche Frauenforschung. München 1984 ff.; Bleckwenn, Ruth (Hg.): Quellen und Schriften zur Geschichte der Frauenbildung. Bd. 1 – 11. Paderborn 1988–1994.
So etwa: Kleinau, Elke/Opitz, Claudia (Hg.): Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung. Bd. 1: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung. Bd. 2: Vom Vormärz bis zur Gegenwart. Frankfurt/M. 1995.
Lerner, Gerda: Die Entstehung des feministischen Bewußtseins. Vom Mittelalter bis zur Ersten Frauenbewegung. Frankfurt/M. 1995.
Z. B. Schiebinger, Londa: Schöne Geister. Frauen in den Anfängen der modernen Wissenschaft. Stuttgart 1993.
Bovenschen, Silvia: Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen. Frankfurt/M. 1979, S. 81 und S. 109.
Cocalis, Susan: Der Vormund will Vormund sein: Zur Problematik der weiblichen Unmündigkeit im 18. Jahrhundert. In: Marianne Burkhard (Hg.): Gestaltet und gestaltend. Frauen in der deutschen Literatur. Amsterdam 1980 (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik; Bd. 10), S. 33 – 55; hier S. 55.
Becker-Cantarino, Barbara: Der lange Weg zur Mündigkeit: Frau und Literatur (1500 – 1800). Stuttgart 1987.
Honegger, Claudia: Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib. Frankfurt/M. 1991.
Woods, Jean M.: Das „Gelahrte Frauenzimmer“ und die deutschen Frauenlexika 1631 – 1743. In: Sebastian Neumeister, Conrad Wiedemann (Hg.): Res publica litteraria. Die Institutionen der Gelehrsamkeit in der frühen Neuzeit. Teil II Wiesbaden 1987, S. 577 – 587; Woods, Jean M./Fürstenwald, Maria: Schriftstellerinnen, Künstlerinnen und gelehrte Frauen des deutschen Barock. Ein Lexikon. Stuttgart 1984.
Vgl. Grimm, Gunter E.: Literatur und Gelehrtentum in Deutschland. Untersuchungen zum Wandel ihres Verhältnisses vom Humanismus bis zur Frühaufklärung. Tübingen 1983; Bödeker, Hans Erich: Die „gebildeten Stände“ im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert: Zugehörigkeit und Abgrenzungen; Mentalitäten und Handlungspotentiale. In: Werner Conze, Jürgen Kocka (Hg.): Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert. Teil 4. Politischer Einfluß und gesellschaftliche Formation. Stuttgart 1989 (Industrielle Welt; Bd. 48), S. 21 – 52; hier S. 22; Gerth, Hans Heinrich: Die Struktursituation der bürgerlichen Intelligenz im ausgehenden 18. Jahrhundert. In: Ulrich Herrmann (Hg.): „Die Bildung des Bürgers.“ Die Formierung der bürgerlichen Gesellschaft und die Gebildeten im 18. Jahrhundert. Weinheim, Basel 1982 (Geschichte des Erziehungs- und Bildungswesens in Deutschland; Bd. 2), S. 329 – 358.
Vierhaus, Rudolf: Bildung. In: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 1. Stuttgart 1972, S. 508 – 551; hier S. 511; Koselleck, Reinhart: Zur anthropologischen und semantischen Struktur der Bildung. Einleitung zu ders.: Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert. Bd. II Stuttgart 1990, S. 11 – 46.
Vgl. Cocalis, Susan: The Transformation of Bildung from an Image to an Ideal. In: Monatshefte 70, 1978, Nr. 4, S. 399 – 414.
Lichtenstein, Ernst: Die Entwicklung des Bildungsbegriffs im 18. Jahrhundert. In: Herrmann (Hg.) 1982, S. 165 – 177; hier S. 169.
Vgl. Grenz, Dagmar: Mädchenliteratur von den moralisch-belehrenden Schriften des 18. Jahrhunderts bis zur Herausbildung der Backfischliteratur im 19. Jahrhundert. Stuttgart 1981; Schmid, Pia: Zeit des Lesens — Zeit des Fühlens. Anfänge des deutschen Bildungsbürgertums. Ein Lesebuch. Berlin 1985.
Vgl. Ehrenberg, Friedrich: Handbuch für die ästhetische, moralische und religiöse Bildung des Lebens. Mit besonderer Hinsicht auf das weibliche Geschlecht. Leipzig, Elberfelde 1807, S. 75 und S. 315. Vgl. Schiller, Friedrich von: Über Anmut und Würde. In: Schillers Werke. Nationalausgabe, 20. Band, Philosophische Schriften. 1. Teil. Hg. von Benno von Wiese und Helmuth Koopmann. Weimar 1962, S. 251 – 308; hier S. 289 f.
Brandes, Ernst: Ueber die Weiber. Leipzig 1787, S. 182.
Siehe etwa: Ebert, Johann Jacob: Nebenstunden eines Vaters dem Unterrichte seiner Tochter gewidmet. Leipzig 1790, S. 77 ff. Und später: Gleim, Betty: Erziehung und Unterricht des weiblichen Geschlechts. Ein Buch für Eltern und Erzieher. Leipzig 1810, S. 59. Es gab aber auch Männer, die, wie etwa Christoph Meiners, liberaler argumentierten. „Gelehrte Weiber“, so stellt er fest, „waren nie schlimmer berüchtigt, als in unseren Zeiten.“ Gegen diese herrschende Abwertung wendet er ein, es werde immer auch „einzelne weibliche Individuen“ geben, die sich „zu den Vergnügungen und Pflichten der Ehe nicht berufen fühlen, und diese […] durch andere menschliche Freuden und gute Werke zu ersetzen suchen.“ Aber: „Weibliche Gelehrsamkeit wird nur alsdann unnatürlich, und zum gerechten Vorwurf, wenn sie Personen des andern Geschlechts entweder von ihrer Bestimmung ableitet, oder sie wenigstens veranlaßt, daß sie nicht das leisten, was sie als gewissenhafte Gattinnen, Mütter und Hausfrauen leisten sollten. Der aus einer solchen Gelehrsamkeit entspringende Tadel wird nur gemildert, nicht aufgehoben, […] wenn Frauen und Jungfrauen sich Künsten und Wissenschaften nicht aus Eitelkeit, sondern aus innerm, unwiderstehlichem Triebe weihen: wenn siediese Neigung, und deren Befriedigung vor der ganzen Welt verbergen möchten.“ Meiners, Christoph: Geschichte des weiblichen Geschlechts. 4. Theil. Hannover 1800, S. 187, S. 283 und S. 289.
Pockels, Carl Friedrich: Fragmente zur Kenntnis und Belehrung des menschlichen Herzens. Zweite Sammlung. Hannover 1792, S. 28. Vgl. auch: „Ich darf daher […] behaupten: daß weibliche Gelehrsamkeit und Kränklichkeit, in der Regel wenigstens, unzertrennliche Gefährten sind.“ Campe, Joachim Heinrich: Väterlicher Rath für meine Tochter. Ein Gegenstück zum Theophron. Der erwachsenern weiblichen Jugend gewidmet von Joachim Heinrich Campe (Braunschweig 1789). Ausgabe der letzten Hand, in der Reihe die achte. Braunschweig 1819, S. 65 f.
Fabian, Bernhard: Im Mittelpunkt der Bücherwelt. Über Gelehrsamkeit und gelehrtes Schrifttum um 1750. In: Rudolf Vierhaus (Hg.): Wissenschaften im Zeitalter der Aufklärung. Göttingen 1985, S. 249 – 274, hier S. 260.
Becker-Cantarino, Barbara: Die „gelehrte Frau“ und die Institutionen und Organisationsformen der Gelehrsamkeit am Beispiel der Anna Maria van Schurman (1607 – 1678). In: Neumeister, Wiedemann (Hg.), Teil II, 1987, S. 559 – 575; hier S. 562.
Raabe, Paul: Gelehrtenbibliotheken im Zeitalter der Aufklärung. In: Reinhard Mocek (Hg.): Die Wissenschaftskultur der Aufklärung. Halle/Saale 1990, S. 188 – 201; hier S. 197.
Vgl. Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Neuwied, Berlin 1962.
Vgl. Koselleck, Reinhart: Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Pathogenese der bürgerlichen Welt. Freiburg, München 1959, S. 41.
Vgl. Harding, Sandra: Das Geschlecht des Wissens: Frauen denken die Wissenschaft neu. Frankfurt/M., New York 1994.
Vgl. Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt/M. 1991, S. 9 ff.
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Ebrecht, A., von der Lühe, I., Pott, U., Rapisarda, C., Runge, A. (1996). Zur Einführung in den Band. In: Ebrecht, A., von der Lühe, I., Pott, U., Rapisarda, C., Runge, A. (eds) Querelles. Jahrbuch für Frauenforschung 1996. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03647-6_1
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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