Zusammenfassung
In der Kulturgeschichte der westlichen Welt hat der Alkohol gegenüber anderen Rauschmitteln stets eine vorrangige Bedeutung gehabt. Oft als kulturstiftendes Medium gerühmt, hat er gleichzeitig eine breite Spur der Verwüstung erzeugt und manchen Künstler, statt ihn zu beflügeln, unwiderruflich zum Schweigen gebracht. Dennoch ist der Mythos vom Wein als Freund des Dichters bis heute nicht grundsätzlich widerlegt. Gerade weil der Alkohol in unserer Gesellschaft nicht nur geduldet wird, sondern eine wesentliche soziale Funktion innehat, und gerade weil wir mit ihm, im Unterschied zu anderen Drogen, so vertraut sind, scheint es angebracht, auf die besondere Rolle des Alkohols in Kunst und Literatur etwas näher einzugehen, zumal das Erscheinen einer auffälligen Anzahl entsprechender Untersuchungen in den letzten Jahren signalisiert, daß diese Frage in unserer Gegenwart offenbar von besonderem Interesse ist.1 Die von den frühesten Zivilisationen bis in die Neuzeit konstant gebliebene kulturelle Bedeutsamkeit des Alkohols ist in den vorigen Kapiteln bereits in einiger Deutlichkeit aufgezeigt worden. Im Folgenden wird nun zu untersuchen sein, welchen Stellenwert Alkohol und Alkoholismus in der Kultur des 20. Jahrhunderts erhielten.
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Anmerkungen
Herhaus, Ernst: Der zerbrochene Schlaf, p.7. — Da hier nur kursorisch auf einzelne Autoren eingegangen werden kann, soll wenigstens an dieser Stelle kurz bemerkt werden, daß der Alkoholismus auch in der Literatur der ehemaligen DDR eine Rolle spielte. Hierauf verweist etwa Ditmar Hinz in seiner Rezension des Romans Das letzte erste Glas (1986) von Reinhardt O. Hahn, wobei er einige im Westen noch weitgehend unbekannte Werke zitiert, in denen das Elend des Alkoholismus beschrieben wird, wie z.B. Margarete Neumanns Ein gewöhnlicher Nachmittag (1983),
Dorothea Kleines Das schöne bißchen Leben (1985),
Brigitte Reimanns Franziska Linkerhand (1974)
Ingrid Johannis’ Das siebente Brennesselhemd (1986),
Ingerose Pausts Das verlorene Spiel mit der Flasche und den Roman Schlußstrich (1986)
von Maria Rauchfuß. Es ist auffällig, daß diese Werke alle von Frauen geschrieben wurden. Vgl. hierzu Hinz (1989).
Selected Letters of Eugene O’Neill, hrsg. v. Travis Bogard und Jackson R. Bryer, New Haven/London 1988; p. 105.
Vgl. Cowley, Malcolm: „Introduction“, in: Fitzgerald, Scott F.: Tender Is the Night. A Romance, Harmondsworth 1955, 151979; pp. 14/15. — Donald Newlove, selbst ein reformierter Alkoholiker, sieht die angenommene Wandlung Fitzgeralds jedoch als unbedingtes Zeichen einer neuen großen Hoffnung an: „Sein letztes Lebensjahr verbrachte er enthaltsam und in einem Zustand gründlicher Regeneration — er war kein hoffnungsloser Fall! Für seinen letzten und nüchternsten Roman [The Last Tycoon] befreite er sich von Keats und seiner eigenen berühmten ornamentalen Prosa, und in ihm zeigte sich eine überraschende nackte Intelligenz, die mit unerbittlichem Blick wirkliche Menschen ohne fieberhafte Nebelgespinste und Blendwerk aufs Korn nahm … Diese fragmentarischen Seiten sind auch ein Nachhall auf den Ausspruch seines großen Trinkkumpans Ring Lardner, eines Schriftstellerkollegen, der … sagte: ‚Niemand hat nach einem Drink, selbst wenn es nur einer war, jemals besser geschrieben als er es ohne ihn vermocht hätte.‘“ (Newlove, p. 129)
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Kupfer, A. (1996). Die Muse aus der Flasche: Alkohol in der modernen Kunst und Literatur. In: Göttliche Gifte. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03635-3_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03635-3_5
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-01409-2
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