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„Das Zeitalter des Rausches“: Drogen im 19. Jahrhundert

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Göttliche Gifte
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Zusammenfassung

Obwohl Rauschmittel zu jeder Zeit und in allen Kulturen eine Rolle spielten, haben sich vor allem die Epochen der Romantik und der Décadence als Zeiten einer Renaissance des Dionysischen in unser heutiges Bewußtsein eingeprägt. Logan hat daher sicher recht, wenn er schreibt: „Historiker haben das europäische 19. Jahrhundert in verschiedener Weise charakterisiert: als das Zeitalter der Industrialisierung, des Kolonialismus, des Nationalismus, des Liberalismus und der triumphierenden Bourgeoisie. Ebensogut könnte diese Epoche aber auch als das Zeitalter des Rausches bezeichnet werden.“1 Allerdings kann damit nicht gemeint sein, daß das 19. Jahrhundert einen intensiveren Umgang mit Drogen gepflegt hätte als jede vorige Ära; es wurde nur wesentlich konzentrierter als jemals zuvor über das Für und Wider von Drogen debattiert und geschrieben. Zu Beginn des Jahrhunderts entstanden in Amerika und Europa zahlreiche Vereinigungen zur Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs, die im Unterschied zu früheren Mäßigkeitsvereinen rasch an Einfluß gewannen und von den Gesetzgebern nicht mehr ohne weiteres ignoriert werden konnten. Ihren Rückhalt fand die Bewegung in einem regen Austausch ärztlicher Theorien über die Ursachen und Folgen des übermäßigen Drogenkonsums, in dem die Stimmen, die vor den Gefahren von Rauschmitteln warnten, die Fraktion der Sorglosen zunehmend in Bedrängnis brachten. Die entscheidende Wende in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Drogen besteht jedoch darin, daß neben den bislang hauptsächlichen, also etwa den heilkundlichen Zwecken der Drogenanwendung nun auch dem Rausch selbst eine besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde, die sich vor allem in den Werken der Dichter äußert.

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Anmerkungen

  1. Martino, Pierre: L’Orient dans la littérature française, Paris 1906; p. 256. Zit. nach Mickel, p. 63.

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  2. Dies soll natürlich nicht bedeuten, daß Opium in der englischen Dichtung früherer Jahrhunderte nicht erwähnt worden sei. Schon in Geoffrey Chaucers um 1382 entstandenem „Knight’s Tale“ wird die betäubende Wirkung von „nercotikes and opie of Thebes fyn“ erwähnt. (The Works of Geoffrey Chaucer, hrsg. v. F.N. Robinson, Oxford 31978; p.31, Zeile 1472.) In der 3. Szene des III. Aktes von Shakespeares Othello stellt Iago gegenüber dem Mohren fest, daß er niemals mehr Ruhe finden könne: „Nicht Mandragora noch Mohn / Noch alle Schlummersäfte der Natur / Verhelfen je dir zu dem süßen Schlaf, / Der gestern dein noch war“ (Nach der Schlegel-Tieckschen Übersetzung), und der erste englische Schriftsteller, dessen Opiumsucht bekannt war, war ein Zeitgenosse Drydens, der Theaterdichter Thomas Shadwell (1642–1692). (Vgl. Hayter, pp. 22/23)

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  3. Eintrag vom 22./23. Dezember 1849. Vgl. Moore, p. 148. — Moore zitiert die Passage nach Sealts, Merton M., jr.: Melville’s Reading: A Checklist of Books Owned and Borrowed, Madison/London 1966; p. 56.

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  4. Vgl. Mann, Klaus: Tagebücher 1934 bis 1935, p. 32. (Eintrag vom 7. Mai 1934)

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  5. Warner, pp. 64/65. — Die hier benutzte Treppenmetaphorik verweist ziemlich eindeutig auf die Carceri-Radierungen Giovanni Battista Piranesis, deren unmögliche Perspektiven in der Romantik als Abbilder der Psyche gedeutet wurden. Emerson kannte diese Kerkeransichten wenigstens aus der berühmten Beschreibung in De Quinceys Confessions. De Quincey, der sich selbst nur aufgrund einer Schilderung durch Coleridge ein Bild von den Carceri machen konnte, stellte sich die dargestellten Räume mit ihren zahlreichen Treppen, die aus dem Nichts kommen und sich im Unendlichen verlieren, noch schwindelerregender vor, als sie es tatsächlich sind und interpretierte sie als genaues Abbild des räumlichen Erlebens im Opiumrausch. (Vgl. meine Ausführungen in Piranesis „Carceri“, pp.82 ff.) Emersons Bemerkung, daß er Piranesi den Einblick in „new modes of existence“ verdanke, legt jedoch nahe, daß er die Carceri oder andere Radierungen von Piranesis Hand aus eigener Anschauung kannte (vgl. The Journals and Miscellaneous Notebooks of Ralph Waldo Emerson, Bd. VIII [1841–1843], hrsg. v. William H. Gilman und J.E. Parsons, Cambridge/Mass. 1970, p.70).

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  6. Tucker, Thomas G.: Edgar Allan Poe while a Student at the University of Virginia, New York 1880.

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  7. Zit. nach Harrison, James: Life of Edgar Allan Poe, [Virginia-Edition, Bd. 1], 1902, New York 1965; p.40.

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  8. Kunitz, Stanley und Howard Haycraft: American Authors 1600–1900: A Biographical Dictionary of American Literature, New York 1938; p. 490. — Die gleiche Ansicht wird auch in dem von Dumas Malone herausgegebenen Dictionary of American Biography vertreten: „Zeitgenössische Berichte belegen die Tragödie in Ludlows Leben, in dem ein brillanter Intellekt und ein in mehrfacher Hinsicht edler Charakter durch eine Gewohnheit ruiniert wurden, die seine moralische und physische Stärke zerbrachen.“(Bd. 11, New York 1933; p.491.)

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  9. The Letters of William James, hrsg. v. seinem Sohn Henry James, Boston 1926; Bd.2, p. 37.

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  10. Vgl. die Aussage seines Freundes Charles Toubin, zit. in: Crépet, Eugène und Jacques: Baudelaire. Étude biographique (1907), Paris o. J.; p.48 f.

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  11. Der Originaltext stammt aus Baudelaire, Charles: „Le Peintre de la vie moderne“ (1863), p. 1179; in: Œuvres complètes (1961).

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Kupfer, A. (1996). „Das Zeitalter des Rausches“: Drogen im 19. Jahrhundert. In: Göttliche Gifte. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03635-3_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03635-3_3

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

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