Zusammenfassung
Von der deutschen Germanistik gemieden, aber auch von jüdischer Seite nicht angestrebt, existierte das Thema der jüdischen Rezeption Heinrich Heines bislang allenfalls als Desiderat in Fußnotenhinweisen.1 Die »auffallend unsichere Stellung so vieler Juden zu Heinrich Heine«2, die Gershom Scholem in der komplexen jüdischen Integrations- und Identitätsproblematik begründet sah, ließ bislang nur intermediäre Markierungen zu: »von der Bewunderung Heines […] bis zur entschiedenen Ablehnung«, »Zwischen Stolz und Abneigung«.3 In der gegenwärtigen Hochkonjunktur der jüdischen Thematik und der mit ihr verbundenen Publikationsflut scheint sich dieses Thema nun doch zu konturieren.4 Die kürzlich vorgenommene Proklamation Heines zum ›Sohn der jüdischen Rezeption‹5 entspringt dabei allerdings einem Wunschdenken: als stünde die mühselige Arbeit rezeptionsgeschichtlicher Studien und die hier besonders abverlangte Vermittlung von historischer und ästhetischer Analyse nicht erst noch bevor.
Ein Jude, der zur Loreley rudert — von ihr angezogen und abgestoßen zugleich. Würde er an ihrem Felsen zerschellen oder hinaufklettern, um sie zu küssen?
André Kaminksi, Schalom allerseits, 1987.
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Anmerkungen
Vgl. Karl Theodor Kleinknecht (Hrsg.): Heine in Deutschland. Dokumente seiner Rezeption 1834–1956. Tübingen 1976, S. XXV, Anm. 49, sowie Jeffrey L. Sammons: Problems of Heine Reception. Some Considerations. — In: Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur 73. 1981, S. 383—391, hier: S. 390, Anm. 11.
Gershom Scholem: Zur Sozialpsychologie der Juden in Deutschland 1900–1930. — In: Judaica 4. Hrsg. v. Rolf Tiedemann. Frankfurt a.M. 1984, S. 229–261, hier: S. 245.
Mark H. Gelber (Hrsg.): The Jewish Reception of Heinrich Heine. Tübingen 1992 (= Conditio Judaica 1. Studien und Quellen zur deutsch-jüdischen Literatur- und Kulturgeschichte). — Vgl. dazu meine Rez. in: Sprachkunst. Beiträge zur Literaturwissenschaft XXIV. 1993, 1. Halbbd., Wien 1993, S. 158–166.
Franz Grillparzer: Die Jüdin von Toledo, 1. Aufzug, V 386. — In: ders.: Sämtliche Werke. Bd. 2. Darmstadt 1970, S. 463.
Vgl. Marianne Lunzer: Die Umstellung in der österreichischen Pressepolitik — die Verdrängung der negativen Methode durch die positive. Vom Zeitungsverbot im Oktober 1848 bis zum endgültigen Ausbau eines organisierten Presseapparates im Jahre 1870. Habil.–Schrift Wien 1953, S. 19.
Robert Prutz: Das Jahr achtzehnhundertunddreißig. — In: ders.: Vorlesungen über die deutsche Literatur der Gegenwart. Leipzig 1847, hier zit. nach Kleinknecht [Anm. 1], 55 f.
Marcel Reich-Ranicki: Bruchstücke einer großen Rebellion. Der Literaturkritiker Ludwig Börne. — In: HJb 1977, S. 151–165, hier: S. 151.
Vgl. Hans Otto Horch : Auf der Suche nach der jüdischen Erzählliteratur. Die Literaturkritik der »Allgemeinen Zeitung des Judentums« (1837–1922). Frankfurt a.M. 1985. (= Literarhistorische Untersuchungen Bd. 1), S. 112. Die AZJ wird im Laufe dieser Studie mehrfach zum Vergleich herangezogen.
Vgl. Jacob Katz: Aus dem Ghetto in die bürgerliche Gesellschaft. Jüdische Emanzipation 1770–1870. Frankfurt a.M. 1986, S. 14.
I.A. Hellwing: Der konfessionelle Antisemitismus im 19.Jahrhundert in Österreich. Wien 1972 (= Veröffentlichungen des Instituts für kirchliche Zeitgeschichte am internationalen Forschungszentrum für Grundlagen der Wissenschaften Salzburg), S. 19.
Vgl. Ruth Kestenberg-Gladstein: Neuere Geschichte der Juden in den böhmischen Ländern. 1. Teil: Das Zeitalter der Aufklärung 1780–1830. Tübingen 1969 (= Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 18/1), S. 297.
Hier zit. nach Hans G. Reissner: Eduard Gans. Ein Leben im Vormärz. Tübingen 1965, S.63.
Vgl. Michel Espagne: Der König von Abyssinien. Leben und Werk des »kleinen Marcus«. — In: HJb 1986, S. 112–138.
Vgl. Barbara Otto: »Solche Art negativer Freyheit«. Politische Repression um 1820 und das Bedürfnis der Philosophie. — In: Verdrängter Humanismus -Verzögerte Aufklärung. Österreichische Philosophie zur Zeit der Revolution und Restauration (1750–1820), hrsg. v. Michael Benedikt u. a. Wien 1992, S. 877–920.
Vgl. Manfred Pfister: Konzepte der Intertextualität. — In: Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Hrsg. v. Ulrich Broich und Manfred Pfister. Tübingen 1985, S. 1–30, hier: S. 20.
Vgl. Dorothea Weiss : Der publizistische Kampf der Wiener Juden um ihre Emanzipation in den Flugschriften und Zeitungen des Jahres 1848. Diss. Wien 1971 [Masch.], S. 19f.
Vgl. Hugo Gold: Geschichte der Juden in Wien. Ein Gedenkbuch. Tel Aviv 1966, S. 32 (= Bd. I der Trilogie der österreichischen Juden). — Vgl. Wolfgang Häusler: Der Weg des Wiener Judentums von der Toleranz zur Emanzipation. — In: Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 30/31. 1974/75, S. 84–124, hier: S. 113. — Ders.: Toleranz, Emanzipation und Antisemitismus. Das österreichische Judentum des bürgerlichen Zeitalters (1782–1918). — In: Anna Drabek, Wolfgang Häusler, Kurt Schubert u.a. (Hrsg.): Das österreichische Judentum. Voraussetzungen und Geschichte. München 31988, S. 83–140, hier: S. 104.
Vgl. Sebastian Brunner: »Das nennt man bekehrt.« — In: WKZ No. 62 v. 5. August 1853, S. 502 f., hier: S. 503.
Vgl. Kopel Blum: Aufklaerung und Reform bei den Wiener Juden. Diss. Wien 1935 [Masch.], S. 52; sowie: Gerson Wolf: Judentaufen in Oesterreich. Wien 1863.
Vgl. Ludwig August Frankl: Nach Jerusalem! Leipzig 1858, Theil 2, S. 72.
Gerhard Storz: Heinrich Heines lyrische Dichtung. Stuttgart 1971, S. 198.
Vgl. Gunnar Och: Jüdische Leser und jüdisches Lesepublikum im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Akkulturationsgeschichte des deutschen Judentums. — In: Menora. Jahrbuch für deutschjüdische Geschichte. München 1991, S. 298–336, hier: S. 327.
Erving Goffman: Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität. Frankfurt a.M. 91990, S.68.
Vgl. Bernd Marin: »Die Juden« in der Kronen-Zeitung. Textanalytisches Fragment zur Mythenproduktion 1974. — In: John Bunzl und Bernd Marin: Antisemitismus in Österreich. Sozialhistorische und soziologische Studien. Innsbruck 1983 (= Vergleichende Gesellschaftsgeschichte und politische Ideengeschichte der Neuzeit. Bd. 3), S. 89–169, hier zit.: S. 152.
Vgl. Leon Botstein: Judentum und Modernität. Essays zur Rolle der Juden in der deutschen und österreichischen Kultur 1848 bis 1938. Wien 1991.
Vgl. Gunter Grimm: Rezeptionsgeschichte. Grundlegung einer Theorie. Mit Analysen und Bibliographie. München 1977, S. 156.
Felix de Mendelssohn: Psychoanalyse als Aufklärung. — In: Das große Tabu. Österreichs Umgang mit seiner Vergangenheit. Hrsg. v. Anton Pelinka und Erika Weinzierl. Wien 1987, S. 42–84, hier: S. 48.
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Otto, B. (1995). ›Berühmt, wenn auch profan‹. In: Kruse, J.A. (eds) Heine-Jahrbuch 1995. Heine-Jahrbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03622-3_4
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