Zusammenfassung
Wenn wir heutzutage über Schiller als Historiker diskutieren, so nicht zuletzt wegen seiner sehr seltenen, vorher eigentlich nur bei Voltaire zu findenden Fähigkeit, sich in herausragender Weise nebeneinander in Dramenform, histo-riographisch und philosophisch über Geschichte zu äußern. Und weil es uns irritiert, daß seine spezifische Stellung und Leistung in der damaligen Umbruchszeit des geschichtlichen Denkens selten von den späteren Historikern behandelt, ja kaum von ihnen als wichtiges Thema anerkannt worden ist. Noch erstaunlicher als seine Leistung und diese Nichtbehandlung erscheint mir Schillers einzigartige und langanhaltende Wirkung auf die Geschichtsanschauung des deutschen Bürgertums. Das ist die Wirkung seiner historischen Dramen, nicht seiner Geschichtsschreibung oder Philosophie. In diesem kontinuierlichen Einfluß auf Leser und Theaterbesucher kann man ihm wohl Goethes Götz von Berlichingen an die Seite stellen (auch dessen Egmont, der übrigens im ganzen 19. Jahrhundert in Schillers Bearbeitung gewirkt hat), aber keinen der zahlreichen Geschichtsdramatiker, die nach seinem Vorbild im 19. Jahrhundert produziert haben. Primär durch Schiller und nur sekundär durch andere Dichter, Romanschriftsteller und Historiker ist die Geschichte der Frühen Neuzeit dem Bürgertum vor Augen gestellt worden, sind Philipp II., Wallenstein, Maria Stuart, die englische Königin Elisabeth und die Jungfrau von Orleans historische Bekannte geworden, über die man reflektierte und sich nach Bedarf wissenschaftlich weiterorientierte.1
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Notizen
Vgl. Theodor Schieder, Schiller als Historiker, in: Ders., Begegnungen mit der Geschichte, Göttingen 1962, S. 56 f.
Ernst Schulin, »Historiker, seid der Epoche würdig!« Zur Geschichtsschreibung im Zeitalter der Französischen Revolution — zwischen Aufklärung und Historismus, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte XVIII, 1989, S. 1–28.
Schillers Werke, Nationalausgabe, Weimar 1943 ff. (im folgenden zitiert: NA), Bd. 8, S. 4 f.
Walter Müller-Seidel, Verschwörungen und Rebellionen in Schillers Dramen, in: Achim Aurnhammer u.a. (Hg.), Schiller und die höfische Welt, Tübingen 1990, S. 422–446.
Zu den verschiedenen Schlüssen des Fiesco: SW Bd. 1, S. 940 ff. Christian Grawe (Hg.), Erläuterungen und Dokumente. Friedrich Schiller, Die Verschwörung des Fiesco zu Genua, Stuttgart 1985, S. 241 ff.
Vgl. Benno von Wiese, Friedrich Schiller, Stuttgart 1978, S. 155. Dieter Borchmeyer, Rhetorische und ästhetische Revolutionskritik: Edmund Burke und Friedrich Schiller, in: Karl Richter u. Jörg Schönert (Hg.), Klassik und Moderne. Walter Müller-Seidel zum 65. Geburtstag, Stuttgart 1983. S 65 f.
Dieter Borchmeyer, Macht und Melancholie. Schillers Wallenstein, Frankfurt a.M. 1988, S. 136.
Heinrich Ritter von Srbik, Wallensteins Ende, Salzburg 1952, S. 27–30.
Golo Mann, Schiller als Geschichtsschreiber, in: Ders., Zeiten und Figuren, Frankfurt a.M. 1979, S. 108–114. Schieder, a.a.O., S. 57 f., 74–79.
Hellmut Diwald, Einleitung zu: Leopold v. Ranke, Geschichte Wallensteins, Düsseldorf 1967, S. 18 ff.
Walter Hinderer, Der Mensch in der Geschichte. Ein Versuch über Schillers Wallenstein, Königstein 1980, S. 10 f. Zutreffende Einschränkungen der Ähnlichkeit des historischen Wallenstein mit demjenigen Schillers bei Borchmeyer, a.a.O., S. 12–16. Daß Schiller selbst das Bedürfnis hatte, sich über das Verhältnis von Geschichte und Drama öffentlich zu äußern, zeigt sein Brief an Cotta vom 12. Oktober 1799, NA 30, S. 103. Er plant da, das Werk in zwei Bänden drucken zu lassen. Im ersten sollten der Prolog, »Wallensteins Lager« und »Die Piccolomini« erscheinen, im zweiten sollte »Wallenstein selbst« eingerahmt werden von einer »Abhandlung über die Wallensteinischen Schauspiele« und »Historischen Anmerkungen«. Das »dramatische Gedicht« erschien dann 1800 ohne diese angekündigten Zusätze in einem Band.
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Schulin, E. (1995). Schillers Interesse an Aufstandsgeschichte. In: Dann, O., Oellers, N., Osterkamp, E. (eds) Schiller als Historiker. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03619-3_8
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