Zusammenfassung
Friedrich Schiller als Historiker kann in verschiedenen Hinsichten betrachtet werden. Am nächsten mag es liegen, ihn in die intellektuelle Biographie des »Klassikers» einzuordnen. In diesem Beitrag soll es um seine Stellung in der zeitgenössischen deutschen Geschichtswissenschaft gehen. Viel spricht dafür, daß damit auch Schillers eigener Anspruch am ehesten deutlich wird. Seit Troeltsch1 und Meinecke2 ist uns die Vorstellung geläufig, daß sich in Deutschland gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Wendung von der Aufklärungshistorie zum Historismus zu vollziehen beginnt. Auch wenn »Begriff und Problem« des Historismus heute gelegentlich in ganz anderem Zusammenhang diskutiert werden3, tun wir gut daran, an dieser Vorstellung festzuhalten, die sich als hinreichend geeignet erwiesen hat, die von niemandem bestrittene Wandlung der deutschen Geschichtswissenschaft um 1800 auf Begriffe zu bringen. Es gibt freilich seit einiger Zeit eine Kontroverse um die Beurteilung dieses »Paradigmawechsels«, ausgelöst durch eine von manchen Autoren unternommene Neubewertung der Aufklärungshistorie. Sie zielt darauf ab, das bis dahin unangefochtene Monopol des Historismus auf die Begründung der modernen Geschichtswissenschaft zu brechen: sei es, daß man bestimmte heute wieder aktuelle oder für aktuell gehaltene Ansätze der Aufklärungshistorie herausstellt, die der Historismus angeblich verschüttet, wenn nicht absichtlich unterdrückt hat, oder auch bestimmte bisher erst dem Historismus zugesprochene Errungenschaften schon für die Aufklärungs-historie beansprucht4.
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Notizen
Ernst Troeltsch, Die Krisis des Historismus, in: Die Neue Rundschau, Jg. 33, 1922, S. 572ff., hier S. 573 u. 575 u. Der Historismus und seine Probleme, Tübingen 1922 (2. Neudr. Aalen 1977), S. 9f.
Friedrich Meinecke, Die Entstehung des Historismus, hrsg. v. Carl Hinrichs, München 1959, S. 4.
Otto Gerhard Oexle, »Historismus«. Überlegungen zur Geschichte des Phänomens und des Begriffs, in: Braunschweigische Wissenschaftliche Gesellschaft, Jahrbuch 1986, Göttingen 1986, S. 119ff.;
Annette Wittkau, Historismus. Zur Geschichte des Begriffs und des Problems, Göttingen 1992.
Neuere Sammelwerke und Gesamtdarstellungen: Peter Hanns Reill, The German Enlightenment and the Rise of Historicism, Berkeley-Los Angeles-London 1975;
Von der Aufklärung zum Historismus. Zum Strukturwandel des historischen Denkens, hrsg. v. Horst Walter Blanke u. Jörn Rüsen, Paderborn-München-Wien Zürich 1984;
Aufklärung und Geschichte. Studien zur deutschen Geschichtswissenschaft im 18. Jahrhundert, hrsg. v. Hans Erich Bödeker, Georg G. Iggers, Jonathan B. Knudsen u. Peter H. Reill, Göttingen 1986;
Horst Walter Blanke, Historiographiegeschichte als Historik, Stuttgart-Bad Cannstatt 1991;
Ulrich Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung. Die Vorgeschichte des Historismus, München 1991;
Friedrich Jaeger u. Jörn Rüsen, Geschichte des Historismus. Eine Einführung, München 1992;
Hans Schleier, Epochen der deutschen Geschichtsschreibung seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Geschichtsdiskurs, hrsg. v. Wolfgang Küttler, Jörn Rüsen u. Ernst Schulin, Bd. 1: Grundlagen und Methoden der Historiographiegeschichte, Frankfurt a.M. 1993, S. 133ff.
Vgl. z.B. Richard Dietrich, Friedrich Schiller als Historiker und Geschichtsdenker, in: Die Welt als Geschichte, Bd. 19, 1959, S. 226ff., hier S. 243.
Weitere Arbeiten, die hier einschlägig sind: Theodor Schieder, Schiller als Historiker, in: Historische Zeitschrift, Bd. 190, 1960, S. 31ff.;
Ernst Engelberg, Schiller als Historiker, in: Die deutsche Geschichtswissenschaft vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Reichseinigung von oben, hrsg. v. Joachim Streisand, Berlin 1963;
Deric Regin, Freedom and Dignity. The Historical and Philosophical Thought of Schiller, Den Haag 1965;
Hinrich C. Seeba, Historiographischer Idealismus? Fragen zu Schillers Geschichtsbild, in: Friedrich Schiller. Kunst, Humanität und Politik in der späten Aufklärung, hrsg. v. Wolfgang Wittkowski, Tübingen 1982, S. 229ff.; Karl-Heinz Hahn, Schiller als Historiker, in: Aufklärung und Geschichte (Anm. 4), S. 388ff.
Friedrich Meinecke, Schiller und der Individualitätsgedanke, in: Ders., Zur Theorie und Philosophie der Geschichte, hrsg. v. Eberhard Kessel, 2. Aufl. Stuttgart 1965, S. 285ff., das Zitat S. 319; zu Goethe: Die Entstehung des Historismus (Anm. 2), S. 445ff.
Promemoria Goethes vom 9. Dezember 1788, in: Friedrich Schneider u. Friedrich Stier, Friedrich Schiller und die Universität Jena, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jg. 5, 1955/56, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe, H.1, S. 21ff., hier S. 22. Ebd., S. 25ff. die Dokumente zum Streit um die Fachbezeichnung Schillers, der sich nach der Veröffentlichung von Schillers Antrittsvorlesung unter dem Verfassernamen »Friedrich Schiller, Professor der Geschichte in Jena« entzündete und damit endete, daß Schiller seinen »Irrthum« bekannte und sich künftig »Prof. der Philosophie« zu nennen verpflichtete; dazu auch Seeba (Anm.5), S. 229ff., der freilich nicht sieht, daß sich »Philosophie« hier nicht auf das Fach, sondern auf die Fakultät bezieht.
August Ludwig Schlözer, Vorstellung seiner Universal-Historie (1772/73), hrsg.v. Horst Walter Blanke, Hagen 1990;
dazu Ursula A.J. Becher, August Ludwig v. Schlözer, in: Deutsche Historiker, hrsg.v. Hans-Ulrich Wehler, Bd.7, Göttingen 1980, S. 7ff. u. August Ludwig von Schlözer — Analyse eines historischen Diskurses, in: Aufklärung und Geschichte (Anm.4), S. 344ff.
Immanuel Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht u. Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte, in: Ders., Politische Schriften, hrsg.v. Otto Heinrich von der Gablentz, Köln u. Opladen 1965, S. 9ff. u. 48ff.;
dazu Rüdiger Bubner, Geschichtsprozesse und Handlungsnormen. Untersuchungen zur praktischen Philosophie, Frankfurt a.M. 1984, S. 86ff. u. 93ff.
Dazu Ulrich Muhlack, Fortschritt und Geschichte, in: Neue Hefte für Philosophie, Bd. 20, 1981, S. 124ff. u. Zum »Verstehen« im frühen Historismus, in: Historische Methode, hrsg.v. Christian Meier u. Jörn Rüsen, München 1988, S. 227ff.
Goethes Briefwechsel mit Wilhelm und Alexander v. Humboldt, hrsg. v. Ludwig Geiger, Berlin 1909, S. 255; dazu W, Bd. 5, S. 362f. u. 422.
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Muhlack, U. (1995). Schillers Konzept der Universalgeschichte zwischen Aufklärung und Historismus. In: Dann, O., Oellers, N., Osterkamp, E. (eds) Schiller als Historiker. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03619-3_2
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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Online ISBN: 978-3-476-03619-3
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