Zusammenfassung
In seinem weitverbreitetem Handbuch Deutsche Dichter und Schriftsteller unserer Zeit bezeichnet Franz Lennartz Hermann Kesten als »bis zum Beginn des ›Dritten Reiches‹ einen der erfolgreichsten Dichter der ›Neuen Sachlichkeit‹«1, und K.H. Kramberg schreibt 1965 in Hermann Kunischs Handbuch der deutschen Gegenwartsliteratur: »In Leben und Literatur ein engagierter ›Nonkonformist‹, huldigt K[esten] als Autor und Herausgeber, polemischer Provokateur und Anwalt literarischer Freiheit der Überzeugung, ein Ferment der moralischen Vernunft in einer immer von irrationalen Mächten bedrohten, für die Diktatur des Ungeistes anfälligen Gesellschaft zu sein. ›Neue Sachlichkeit‹, so nannte sich die Literaturströmung, die K[esten] Mitte der zwanziger Jahre mitentdeckte.«2 Ähnlich läßt Ernst Alker 1977 verlauten: »Ohne je Theoretiker der Neuen Sachlichkeit gewesen zu sein, hat wohl niemand mit solcher Intensität die Richtung propagiert und durchgesetzt wie Hermann Kesten (geb. 1900), durch eigene Produktion und durch Erstellung repräsentativer neorealistischer Anthologien«, und als Begründung fügt er hinzu: »Kestens zentrale Stellung in der Neuen Sachlichkeit wird bedingt durch die in ihm waltende Synthese von unbedingter Anerkennung der Wirklichkeit, vom Glauben an die reinigende Kraft der Vernunft, vom Willen zur Verbesserung der Welt durch die Macht des Wortes (doch ohne Hingabe an irgendwelche linke oder rechte Parteidoktrin).«3
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Anmerkungen
Franz Lennartz: Kesten, Hermann. In: Ders.: Deutsche Dichter und Schriftsteller unserer Zeit. Stuttgart 81959, S. 380–383, hier S. 380.
K.H. Kramberg: Hermann Kesten. In: Hermann Kunisch (Hrsg.): Handbuch der deutschen Gegenwartsliteratur. München 1965, S. 344f., hier S. 345.
Ernst Alker: Profile und Gestalten der deutschen Literatur nach 1914. Hrsg. v. Eugen Thurnher. Stuttgart 1977, S. 255.
D[ietlind] A[mlong]: Hermann Kesten, Ein ausschweifender Mensch. In: Walter Jens (Hrsg.): Kindlers Neues Literatur Lexikon. 20 Bde. München 1988–92, Bd. 9, S. 326.
Josef Breitbach: Hermann Kesten. In: Die Literatur 32 (1929/30), S. 15f., hier S. 15.
Gunnar Falk Fritzsche: Hermann Kesten. In: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. München. Stand: 1. April 1985, S. 1–14, A-S, hier S. 4.
Hermann Kesten (Hrsg.): 24 neue deutsche Erzähler. Frühwerke der Neuen Sachlichkeit. Neuausgabe der Ausgabe Berlin 1929. München 1973, S. 6.
Karl Prümm: Die Literatur des Soldatischen Nationalismus der 20er Jahre (1918–1933). Gruppenideologie und Epochenproblematik. 2 Bde. Kronberg/Ts. 1974, Bd. 2, S. 264.
Siehe dazu Kristiane Schäffer: Hermann Kesten — der getarnte Moralist. In: Deutsche Rundschau 86 (1960), S. 43–47, hier S. 43: »[…] so stellt Hermann Kesten, von seiner Mission als Dichter eher angeheitert als bitter gestimmt, mit fröhlicher Arroganz ein modernes Trotzdem-Rezept für Überlebende aus und nennt drei Medizinen: Vernunft, heiteren Leichtsinn und Humanität, Maximen des 18. Jahrhunderts. Sie sind die Schlüsselworte zu Hermann Kestens Romanen schlechthin.« Ähnlich schreibt
Karl Ude: Hermann Kesten. In: Welt und Wort 15 (1960), S. 7–9, hier S. 8: »Als geborener Aufklärer und Moralist ist er geistig im 18. Jahrhundert zu Hause […].«
Abwertend schreibt Michael Winkler: »Dem rechten Fanatiker der Tat hat die humanistisch-konservative Mitte wenig mehr als das leidenschaftlich vorgetragene Plädoyer für Vernunft entgegenzusetzen.« Winkler: Paradigmen der Epochendarstellung in Zeitromanen der jüngsten Generation Weimars. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Weimars Ende. Prognosen und Diagnosen in der deutschen Literatur und Publizistik 1930–1933. Frankfurt/Main 1982, S. 360–375, hier S. 365.
Horst Denkler: Sache und Stil. Die Theorie der ›Neuen Sachlichkeit‹ und ihre Auswirkungen auf Kunst und Dichtung. In: Wirkendes Wort 18 (1968), S. 167–185, hier S. 175.
ders.: Die Literaturtheorie der Zwanziger Jahre: Zum Selbstverständnis des literarischen Nachexpressionismus in Deutschland — Ein Vortrag. In: Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur 59 (1967), S. 305–319, hier S. 313.
Siehe Karl Prümm: Neue Sachlichkeit. Anmerkungen zum Gebrauch des Begriffs in neueren literaturwissenschaftlichen Publikationen. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 91 (1972), S. 606–616, hier S. 611.
Die Seitenangaben im Text — mit der Sigle »J« bzw. »AM« — beziehen sich auf die Ausgabe: Hermann Kesten: Josef sucht die Freiheit. Ein ausschweifender Mensch. Zwei Romane. München 1977.
Hermann Kesten: Bücher der Liebe. In: Ders.: Filialen des Parnaß. 31 Essays. München 1961, S. 285–303, hier S. 293.
Cornelius Schnauber: Hermann Kesten. Zuerst der Mensch, dann die Gesellschaft. In: Hans Wagener (Hrsg.): Zeitkritische Romane des 20. Jahrhunderts. Die Gesellschaft in der Kritik der deutschen Literatur. Stuttgart 1975, 146–166, hier S. 147.
Die Seitenangaben im Text — mit der Sigle »Sch« — beziehen sich auf die Ausgabe: Hermann Kesten: Der Scharlatan. Roman. Wien, München, Basel 1965.
Die Seitenangaben im Text — mit der Sigle »GM« — beziehen sich auf die Erstausgabe: Hermann Kesten: Glückliche Menschen. Berlin 1931.
Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 71989, S. 419.
Kurt Pinthus: Kortner. Typ künftiger Kunst. In: Das Theater 9 (1928), S. 227. Zit. nach Denkler: Sache und Stil, S. 172;
Hermann Kesten: Die literarischen Moden [Berlin 1931]. In: Ders.: Der Geist der Unruhe. Literarische Streifzüge. Köln, Berlin 1959, S. 18–21, hier S. 19–21. In seiner Laudatio anläßlich der Verleihung des Georg Büchner-Preises an Kesten in Darmstadt 1974 sprach Wolfgang Koeppen den Autor folgendermaßen an: »Sie waren der kommende Dichter, Sie waren die junge Generation, die Neue Sachlichkeit. Der Versuch ordnungsliebender Philologen, Geist in Schubladen zu packen, einem Schriftsteller ein Etikett anzuhängen, wird immer von rührender Unzulänglichkeit bleiben. Sie waren reicher, Sie sprengten jede Gruppe, zu der Sie nie gehören wollten, übersprangen die Einengung jeder Klassifizierung, entzogen sich der dummen Ablage in Jahrgänge, schrieben weiter, als die Neue Sachlichkeit nur noch ein Kapitel der Literaturgeschichte war.«
Wolfgang Koeppen: Im Kampf für ein bürgerliches Vorurteil. Rede auf den Preisträger. In: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Darmstadt. Jahrbuch 1974. Heidelberg 1975, S. 39–43, hier S. 40.
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Wagener, H. (1995). Mit Vernunft und Humanität. In: Becker, S., Weiß, C. (eds) Neue Sachlichkeit im Roman. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03575-2_3
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