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Josephe und die Männer

Klassen- und Geschlechteridentität in Kleists ›Erdbeben in Chili‹

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Zusammenfassung

Eine feministische Analyse von Kleists Erzählung ›Das Erdbeben in Chili‹, die sich mit deren zentraler Geschlechter- und Klassendynamik beschäftigt, zeigt, daß hier verschiedene Geschichten gleichzeitig erzählt werden: eine Geschichte vom Kampf der männlichen Charaktere miteinander um den Besitz und die Herrschaft über die Frau Josephe und ihre Sexualität ebenso wie die Geschichte eines Erdbebens und die des Liebespaares Jeronimo und Josephe. Die Erzählung, die im 17. Jahrhundert in Santiago de Chile spielt, berichtet, wie Josephe von ihrem mächtigen, aristokratischen Vater in ein Kloster verbannt wird, gleich nachdem er ihr »Einverständnis« mit ihrem Lehrer Jeronimo entdeckt hat; während einer feierlichen Prozession der Nonnen fällt sie in Wehen auf den Stufen der Kathedrale nieder und wird bald danach zum Tode durch Enthaupten verurteilt. Im letzten Augenblick wird sie durch die Katastrophe eines Erdbebens gerettet, nur um am folgenden Tag vor dem Dom durch den Pöbel gelyncht zu werden, der sich dort versammelt hat, um Gott für seine Rettung zu danken. Betrachtet man nun die Erzählung unter dem Blickwinkel von Geschlecht und Klasse bzw. Stand, dann befindet sich Josephe im Mittelpunkt eines komplizierten Tanzes der Männer, die darum bemüht sind, ihre Stellung in der sozialen Hierarchie festzusetzen oder zurückzugewinnen, während sie selbst eine Stellung inne hat, die von der der Männer, mit denen sie zu tun hat, kategorial unterschieden ist — was an Luce Irigarays Beschreibung des weiblichen Körpers als »Ort für patriarchalische Machtverhältnisse«1 erinnert.

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Notizen

  1. Zitiert bei Elizabeth Grosz, Jacques Lacan. A Feminist Introduction, London und New York 1990, S. 144.

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  2. Cora Kaplan, Pandora’s Box: Subjectivity, Class and Sexuality in Socialist Feminist Criticism. In: Gayle Greene and Coppélia Kahn (Hgg.), Making a Difference. Feminist Literary Criticism, London und New York 1985, S. 146–176, hier S. 150 und 164, von der Verfasserin dieses Aufsatzes übersetzt, wie auch die folgenden Zitate aus englischsprachigen Aufsätzen.

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  3. Heinrich von Kleist, Sämtliche Werke und Briefe. Hg. von Helmut Sembdner, 2 Bde., 5. Aufl. München 1970, hier Bd. 2, S. 144. — Kleist-Zitate im folgenden nach diesem Band.

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  4. Benno von Wiese, Die deutsche Novelle von Goethe bis Kafka. Interpretationen, Bd. 2, Düsseldorf 1962, S. 53.

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  5. Vgl. z. B. Uta Ranke-Heinemann, Eunuchen für das Himmelreich. Katholische Kirche und Sexualität, Hamburg 1988.

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Hans Joachim Kreutzer

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© 1994 Springer-Verlag GmbH Deutschland

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Gelus, M. (1994). Josephe und die Männer. In: Kreutzer, H.J. (eds) Kleist-Jahrbuch 1994. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03556-1_6

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  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

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