Zusammenfassung
Das Begriffspaar Mündlichkeit — Schriftlichkeit bezeichnet ein umfangreiches Forschungsgebiet, das im allgemeinen mit dem Stichwort Oral Poetry und der in diesem Zusammenhang in den dreißiger Jahren in Amerika entwickelten theory of oral-formulaic composition identifiziert wird. Ein spezifisches Modell läßt sich entwickeln am Beispiel der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters. Mündlichkeit — Schriftlichkeit steht hier weniger für verschiedene Techniken der Komposition als vielmehr für eine kulturhistorische Konstellation, die durch ein komplexes Beziehungsgeflecht von lateinischer Schriftkultur und volkssprachlich-mündlicher Kultur gekennzeichnet ist. Die Träger der jeweiligen Kultur unterscheiden sich nicht nur durch ihre Fähigkeit, (Latein) lesen und schreiben zu können bzw. nicht zu können, sondern auch durch ihren Stand: es sind Kleriker, die der Schrift mächtig sind (litterati) und es sind Laien, die Analphabeten sind (illitterati) (vgl. Grundmann 1958), wobei die gesellschaftliche Realität, gerade was die im 12. und 13. Jahrhundert erheblich zunehmende Laienbildung betrifft, zahlreiche Zwischenstufen aufweist. Insbesondere im Bereich der literarischen Artikulation spielt die ständische Identität mit ihrer Bindung an den schriftlichen oder mündlichen Kulturtypus als Element der Abgrenzung und Selbstdefinition eine entscheidende Rolle.
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Lübben, G. (1995). Exkurs: Mündlichkeit — Schriftlichkeit. In: Pechlivanos, M., Rieger, S., Struck, W., Weitz, M. (eds) Einführung in die Literaturwissenschaft. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03544-8_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03544-8_3
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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