Zusammenfassung
Sie war seit je Dragoner und gute Seele, war nie jung gewesen und ist nicht alt geworden, allein geblieben auch, weil unerbittlich in der Zuerteilung und im Entzug ihrer Liebe. Ihr Instrument spielt sie wie sie ist: solide auch in schwierigen Passagen, unverführbar zu irgendeinem charmanten Drüberhin, spröde, mit viel Einsatz und etwas rechthaberisch. Ich sehe sie vor bald vierzig Jahren vornan in dem Geleitzug von Mitstudenten, die, eine kleine Hinrichtung erwartend, mich nach meinem Austritt aus der FDJ zur gesellschaftswissenschaftlichen Prüfung brachten und die Kommission belagerten. Bei den Kantatenaufführungen der Jungen Gemeinde war sie die eifrigste und treueste, dazu paßte sie besser als jetzt zu Mahler (sie will ins Konzert kommen); welcher Weg könnte von der tiefgegründeten Prosa ihres Gemüts, ihrer geheimnislosen Rechtschaffenheit zum Adagietto führen, einer nach solchen Maßgaben unerlaubten, unzüchtig sich weggebenden Musik? Lotte ist so anständig, daß man auch ihre profunde Humorlosigkeit verzeiht, man achtet sie, hat sie gern und erträgt sie schwer. Sie war bis zur Halsstarrigkeit mutig, schrieb getreulich und offen zu Zeiten, da ich als Verbrecher geführt wurde und ihre Briefe keine Chance hatten, der Kontrolle zu entgehen.
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Gülke, P. (1994). Lotte. In: Fluchtpunkt Musik. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03539-4_5
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-01209-8
Online ISBN: 978-3-476-03539-4
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