Zusammenfassung
Ähnlich wie die Konzeptualisierung der musikalischen Zeit hat auch die Konzeptualisierung des musikalischen Raums ihre historische Genese. Der Begriff des “musikalischen Raums” wird heute in einer Weise unhinterfragt verwendet, die aus der geometrischen Metapher häufig eine musikalische Realität macht, die dann ihrerseits umstandslos als Analysekategorie zur Anwendung gebracht wird. In diesem Sinne wäre es naheliegend, gregorianisch-fränkische Melodien vor dem Hintergrund altrömischer Melodien (die allerdings nur in geringer Zahl überliefert sind) zu analysieren, um die Differenz zwischen linearer und räumlicher Musikauffassung herauszuarbeiten. Bei der Analyse der altrömischen Melodien sind wir jedoch auf Quellen aus dritter Hand angewiesen, die durch zwei historische Umbrüche hindurch — die Einführung der Neumenschrift und die Einführung der Linienschrift — erst greifbar werden. Wir wissen nicht, wie der altrömische Gesang tatsächlich geklungen hat, sondern nur wie ein Notator ihn glaubte adaequat, in einer nicht für den altrömischen Gesang entworfenen Notenschrift aufzeichnen zu können. Man muß sich zudem vor Augen halten, daß die altrömischen Melodien zunächst mündlich in das Frankenreich gebracht wurden, und auch der gregorianische Choral als ’redigierte’ Fassung des altrömischen zunächst mündlich verbreitet wurde.
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Walter, M. (1994). Musikalischer Raum. In: Grundlagen der Musik des Mittelalters. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03531-8_9
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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