Zusammenfassung
Wir sahen, daß Guidos Musikbegriff einen musikalischen Raum voraussetzt, der von den Tönen oben und unten begrenzt, durch deren »vis «strukturiert und mental von oben nach unten gebildet wird. Die Abfolge der Klänge des Organum — zu jeweils einem cantus-Ton wurde ein ’Gegenton’ gebildet — determinierte die sich im Klangverlauf verändernde vertikale ’Höhe’ des Raums, was jedoch zu der Schwierigkeit führte, daß das »Organum suspensum« nur als ’Notfall’ akzeptiert wurde, weil der musikalische Raum in diesem Fall, in dem der cantus die Organalstimme unterschreitet, in gewisser Weise auf den Kopf gestellt wurde. Diese ’Umkehr’ des Raums war eine spezifische Möglichkeit und Schwierigkeit der Musik. Die Ursache der Erklärungsschwierigkeit Guidos liegt in seiner unausgesprochenen Annahme, der musikalische Raum sei weder unendlich ausdehnbar, was angesichts der nur 21 zur Verfügung stehenden Töne naheliegend war, noch anders als durch Grenztöne darstellbar. Die lineare Erfindung zweier musikalisch gleichberechtigter Stimmen kannte Guido darum noch nicht, sondern nur die jeweils durch das ’Nachfolgen’ der Organalstimme je neu gebildeten (Klang-)Räume.
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Walter, M. (1994). Das Neue Organum: Artifizielle Mehrstimmigkeit. In: Grundlagen der Musik des Mittelalters. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03531-8_11
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00998-2
Online ISBN: 978-3-476-03531-8
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