Zusammenfassung
Als den Typus des “Leistungsethikers”, wie er sich in der Gestalt des Künstlers manifestiert, charakterisierte Thomas Mann im Rückblick Gustav von Aschenbach, die Hauptperson seiner 1911/12 entstandenen Erzählung “Der Tod in Venedig“1, nicht ohne die “moralische Selbstzüchtigung”2 zu erwähnen, die Autor und Protagonist miteinander verbindet: Aschenbach, der durch seine Vorfahren — “Offiziere, Richter, Verwaltungsfunktionäre” und protestantische “Prediger”(450) sowie durch seine jugendliche Sozialisation, die jeden “Müßiggang”(451) verbot, eine pflichtbewußte Lebensführung internalisiert hat, sieht konsequent auch sein künstlerisches Schaffen einem Ethos “dienstlich nüchterner Gewissenhaftigkeit” (450) und selbstbeherrschten “Durchhaltens” (450) verbunden, das jegliche seelische und körperliche Ablenkung zunächst abzuwehren weiß. Dieser “Leistungsethiker”, dem sowohl der Kaufmann Thomas Buddenbrook aus Manns erstem Roman als auch der, dem historischen Savonarola nachgebildete, leidenschaftliche Prediger Girolamo aus dem frühen Drama “Fiorenza” verwandt sind3, dessen Züge aber in modifizierter Form auch der “Bajazzo”, der “kleine Herr Friedemann” und “Tonio Kröger” tragen, galt Mann als Repräsentant seiner Zeit:
“Einer der Überbürdeten, schon Aufgeriebenen, sich noch Aufrechterhaltenden, all dieser Moralisten der Leistung, die, schmächtig von Wuchs und spröde von Mitteln, durch Willensverzückung und kluge Verwaltung sich wenigstens eine Zeitlang die Wirkungen der Größe abgewinnen. Ihrer sind viele, sie sind die Helden des Zeitalters” (453f).
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Notizen
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Weiller, E. (1994). Gesichter der Askese Max Weber und Thomas Mann. In: Max Weber und die literarische Moderne. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03516-5_5
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