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Die Fehde zwischen Walther von der Vogelweide und Reinmar dem Alten

Ein Beispiel germanistischer Legendenbildung

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Book cover Minnesang in neuer Sicht
  • 263 Accesses

Zusammenfassung

Die Reinmar-Walther-Fehde gehört zum festen Begriffsarsenal der Literaturgeschichtsschreibung. Vor allem nach Carl von Kraus1 Reinmar-untersuchungen (1919)2 glaubt man über sie im wesentlichen Bescheid zu wissen. Was seither zu diesem Thema publiziert worden ist, beschränkt sich weitgehend auf Ausmalungen der von Carl von Kraus vorgezeichneten Konturen und auf Retuschen an Einzelergebnissen.3 Als gesichert gilt in allen Darstellungen:

  1. 1.

    Der ‘Ort der Handlung’, Wien, da dort einer der beiden Kontrahenten, Reinmar, eine ‘Lebensstellung’ als Hofdichter innegehabt haben soll.

  2. 2.

    Die Datierung der Fehde: Da Walther von der Vogelweide, wie aus einer Strophe des ersten Philippstones (L 19, 29) zu schließen ist, 1198 Wien verlassen mußte und danach nur noch gelegentlich dorthin zurückgekehrt zu sein scheint, wie aus anderen Gedichten hervorgeht, bleiben in dem an Wien orientierten Vorstellungsrahmen für die Auseinandersetzung der beiden Dichter nur wenige Jahre. So wird eine erste Fehde-Phase — mit offenem Einsatz — vor 1198 anberaumt. Für eine zweite liefern die Reiserechnungen des Passauer Bischofs Wolfger von Erla eine ungefähre Datierung. Walther ist hier bekanntlich als Empfänger eines Geldbetrages für den Kauf eines Pelzes aufgeführt.4 Ort und Zeitpunkt der Dotation sind Zeiselmauer an der Donau (westlich Wiens) 12. November 1203. Dort legte der Bischof auf seiner Rückreise von Wien offenbar eine Zwischenstation ein, nachdem er — und in seinem Gefolge mutmaßlich auch Walther — an der Hochzeit des österreichischen Herzogs Leopold VI. mit einer griechischen Prinzessin teilgenommen hatte. Mit diesem Wiener Aufenthalt im Herbst 1203 wird die zweite Fehde-Phase verknüpft. Eine gelegentlich postulierte dritte Fehde-Phase wird von manchen Interpreten in der Zeit vor Reinmars Tod angesetzt, der zwischen 1205 und 1210 vermutet wird.5 Der einzige Grund für diese Phasenstruktur der Fehde liegt ganz offenkundig darin, daß Reinmar, wie erwähnt, von der Forschung in Wien festgesetzt wurde.

  3. 3.

    Als weiteres gesichertes Ergebnis glaubt man anführen zu können, wer die Dame war, die im Mittelpunkt der ersten Fehdephase gestanden haben soll: die Herzoginwitwe. Helene6, bis 1194 mit Leopold V. von Österreich verheiratet und Mutter der Herzöge Friedrich I., der 1195–98 regierte, und Leopold VI., der im April 1198 dessen Nachfolge antrat und der eventuell Walther von der Vogelweide aus Wien vertrieb.

  4. 4.

    Einen relativ festen Kanon bilden letztlich auch die zur Fehde gezählten Lieder Reinmars und Walthers, so wie sie etwa in Maurers Walther-Ausgabe in der Altdeutschen Textbibliothek zusammengestellt sind.7

Der folgende Text basiert auf Vorträgen, die ich in unterschiedlichen Fassungen 1984/85 an den Universitäten Basel, Karlsruhe, Heidelberg, Trier, Stuttgart, Augsburg und Wien zur Diskussion gestellt habe. Für mannigfache Anregungen bin ich Kollegen und Studenten zu Dank verpflichtet.

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Notizen

  1. H. Heger, Das Lebenszeugnis Walthers von der Vogelweide. Die Reiserechnungen des Passauer Bischofs Wolfger von Erla, Wien 1969.

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  2. Vgl. G. Schweikle, Doppelfassungen Bei Heinrich Von Morungen, In: Interpretation U. Edition Deutscher Texte Des Mittelalters. Fs. F. J. Asher, Hg. V. K. Smits, W. BeschU. B. Lange, Berlin 1981, S. 64f.

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Schweikle, G. (1994). Die Fehde zwischen Walther von der Vogelweide und Reinmar dem Alten. In: Minnesang in neuer Sicht. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03515-8_14

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03515-8_14

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00981-4

  • Online ISBN: 978-3-476-03515-8

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

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