Zusammenfassung
Die Geistesgeschichte und Mentalitätsgeschichte im Baltikum in der Mitte des 18. Jahrhunderts kann mit den Schlüsselwörtern lutherische Orthodoxie, Pietismus und Brüdergemeine beschrieben werden.1 Die lutherische Orthodoxie, die ähnlich dem Katholizismus als autoritäres System zur Geltung kam, strebte nach der vereinheitlichenden Formulierung der Lehre der Heiligen Schrift und Inspiration und kanonisierte neben den Werken von Luther auch die symbolischen Bücher und die Beschlüsse der bischöflichen Konzile. In schwedischer Zeit wurde die lutherische Orthodoxie im Baltikum noch unterstützt von der Königsmacht, die einheitliche Rechtgläubigkeit und Untertanentreue für identisch hielt. Im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts begann der Pietismus die einheitliche lutherische Orthodoxie zu untergraben. Sein Ziel war die Vertiefung der persönlichen Frömmigkeit, in deren Mittelpunkt die Wiedergeburt jedes einzelnen Menschen steht, und die Betonung des tätigen Christentums. Die so begründete Frömmigkeit schließt eine intensive Hinwendung zum Studium der Bibel ein. Deswegen ist es auch kein Zufall, daß die Übersetzung der Bibel sowohl ins Lettische 1685–1689 als auch ins Estnische 1739 von den pietistisch gesinnten Pastoren verwirklicht wurde.
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Notizen
Die evangelischen Prediger Livlands bis 1918. Hg. von Martin Ottow und Wilhelm Lenz. Köln, Wien 1977, S. 317.
Sivers, Jegor von: Wenden, seine Vergangenheit und Gegenwart. Ein Beitrag zur Geschichte Livlands. Riga 1857, S. 7.
Sonntag, Karl Gottlob: Formulare, Reden und Ansichten bei Amtshandlungen. Riga 1818, Bd. 2, S. 167–168.
Pietismus und Rationalismus. Hg. von Marianne Beyer-Fröhlich. Leipzig 1933, S. 150– 151.
Vgl. Winter, Eduard: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Rußlandkunde im 18. Jahrhundert. Berlin 1953, S. 283.
Lenz, Friedrich David: Skizze einer Geschichte der Stadt Dorpat. Dorpat 1803, S. 47.
Lenz, Jakob Michael Reinhold: Gesammelte Schriften. Hg. von Ludwig Tieck. Berlin 1828, Bd. 3, S. 40.
Johansons, Andrejs: Latvijas kulturas vesture 1710–1800. Stockholm 1975, S. 259.
Siehe Jürjo, Indrek: August Wilhelm Hupel als Repräsentant der baltischen Aufklärung. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 39 (1991), H. 4, S. 495–513.
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Jürjo, I. (1994). Die Weltanschauung des Lenz-Vaters. In: Stephan, I., Winter, HG. (eds) »Unaufhörlich Lenz gelesen …«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03512-7_9
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