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Uli der Knecht. Die Christliche Ökonomik als Roman

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Jeremias Gotthelf — der »Dichter des Hauses«
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Zusammenfassung

Uli der Knecht erzählt von einem jungen, verwaisten Bauernknecht, der zunächst keine Möglichkeit sieht, mit den Ersparnissen seines Lohns sich jemals selbständig zu machen, so daß er gleich am Anfang seines Berufslebens (und des Buches) die Arbeitslust, die moralische Selbstachtung, ja den Selbsterhaltungswillen verliert. Doch er hat Glück mit seinem Meister. Dessen Unterweisung und Fürsorge geben ihm den Glauben zurück, daß man mit Fleiß, Sparsamkeit und Anstand die Anwartschaft auf eine selbständige Stellung in der ländlichen Gesellschaft erwirbt. Im Gegensatz zu den üblichen Gepflogenheiten lehrt der Meister ihn alles, was ein Bauer können und wissen muß, und verhilft ihm in selbstloser Weise zu einer besseren Stelle, als er selbst sie ihm bieten kann: Uli wird Meisterknecht auf einem großen Hof. — Sein neuer Meister, der als ein wunderlicher Alter geschildert wird, kennt die wahren Interessen des Bauern nicht; er glaubt durch Mißtrauen und Zwietracht herrschen zu können und verdirbt oder verscheucht seine Arbeiter. Uli, der Elternlose, der von der Gesellschaft durch seinen ersten Meister gleichsam adoptiert, ja zu einer höheren geistigen Kindschaft angenommen worden war, erhält nun Gelegenheit, durch verantwortliches Handeln seinen Dank abzuleisten. Er verläßt den schwer erträglichen Dienst nicht und wird, als die Kinder des Großbauern das Gut zu verschleudern drohen, zum Retter des Hofes, den er von dem Alten günstig in Pacht nimmt. — Neben der Achtung und dem Vertrauen der Eigentümer gewinnt Uli die Liebe des Mädchens Vreneli, das als arme, elternlose Verwandte »um Gotteswillen« auf dem Hofe lebt.

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Literatur

  1. Gottfried Keller: Jeremias Gotthelf III. (Rez. über Zeitgeist und Berner Geist, 2 Tie, Berlin 1852. Ersch. Nov. 1853.) In: G.K.: Sämtliche Werke. Bd. 22. S. 101 f.

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  2. Reinhild Buhne: Jeremias Gottheifund das Problem der Armut. Bern 1968. S. 126–131.

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  3. Hierzu Julius Hoffmann: Die »Hausväterliteratur« und die »Predigten über den christlichen Hausstand«. Lehre vom Haus und Bildung für das häusliche Leben im 16., 17. und 18. Jahrhundert. Weinheim, Berlin 1959.

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  4. Wir beziehen uns auf die Auslegung, die die Prädestinationslehre bei den Nachfolgerns Calvins fand und die nach Max Weber eine starke gesellschaftliche Wirkung ausübte. Während Calvin betonte, daß die Verworfenen ein äußerlich ebenso rechtschaffenes Leben führen können wie die Erwählten, und jede Mutmaßung über den Gnadenstand eines Menschen als vermessenes Eindringen in die Geheimnisse Gottes verwarf, suchten die Epigonen die Heilsgewißheit »im Sinn der Erkennbarkeit des Gnadenstandes« aus äußeren Zeichen zu gewinnen. »Nur ein Erwählter ist fähig, vermöge der Wiedergeburt (regeneratio) und der aus dieser folgenden Heiligung (sanctificatio) seines ganzen Lebens Gottes Ruhm durch wirklich […] gute Werke zu mehren. […] So absolut ungeeignet […] gute Werke sind, als Mittel zur Erlangung der Seligkeit zu dienen — denn auch der Erwählte bleibt Kreatur, und alles was er tut, bleibt in unendlichem Abstand hinter Gottes Anforderungen zurück -, so unentbehrlich sind sie als Zeichen der Erwählung. Sie sind das technische Mittel, nicht: die Seligkeit zu erkaufen, sondern: die Angst um die Seligkeit loszuwerden. In diesem Sinn werden sie gelegentlich direkt als ›zur Seligkeit unentbehrlich‹ bezeichnet oder die possessio salutis‹ an sie geknüpft. Das bedeutet nun aber praktisch im Grunde: daß Gott dem hilft, der sich selbst hilft, daß also der Calvinist seine Seligkeit — korrekt müßte es heißen: die Gewißheit von derselben — selbst ›schafft‹, daß aber dieses Schaffen nicht wie im Katholizismus in einem allmählichen Aufspeichern verdienstlicher Einzelleistungen bestehen kann, sondern in einer zu jeder Zeit […] systematischen Selbstkontrolle.« Praktisch verlangte der Calvinismus »eine zum Symstem gesteigerte Werkheiligkeit«. (Max Weber: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, In: M.W., Die protestantische Ethik. Bd. 1. Eine Aufsatzsammlung. Hg. Johannes Winckelmann. 5. erneut Überarb. u. mit e. Nachw. vers. Aufl. Gütersloh 1979. S. 127–133.) Nach diesem strengen Maßstab ist Uli, der sich als Knecht gern zu Genuß und berechnender Liebe, als Pächter zum Geiz verleiten läßt, kein »visible saint«, um mit R. Baxter zu reden. Daß Uli während seiner Dienstjahre »systematisch« spart, ist gewiß als fromme Tugend zu verstehen; aber dieser Sparzwang wurde den Dienstboten jeglicher Konfession auferlegt.

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  5. Gotthelf benutzte J. v. Müllers Geschichten Schweizerischer Eidgenossenschaft, um sich auf den im Auftrag des Erziehungsdepartements durchgeführten Lehrerbildungskurs (»Normalkurs«) vorzubereiten, den er im Schloß Burgdorf von 1834 an mehrmals abhielt. — Auch für seine historischen Novellen schöpfte er aus J.v. Müller (Paul Mäder: Gotthelfs historische Novellistik und ihre Quellen. Diss. Bern 1931. S. 39 ff.) »Seine Vorliebe, durch Johannes von Müller und Andere erzeugt, galt ganz der alten, der heroischen und kämpfenden, nicht der späteren, der bloß administrierenden Zeit.« (C[arl] Manuel: Albert Bitzius (Jeremias Gotthelf). Sein Leben und seine Schriften. Berlin 1857. S. 197.)

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  6. J. Gotthelf: Eines Schweizers Wort an den Schweizerischen Schützenverein. (Geschr. 1842.) In: SW XV. S. 301.

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  7. J. Gotthelf: Ein Wort zur Pestalozzifeier. (1846.) In: SW EBd. 11. S. 307.

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  8. Ebda. S. 37. — Dieselbe Vorstellung von den drei Ordnungen herrschte im Calvinismus, s. Edmund S[ears] Morgan: The Puritan Family. Religion and Domestic Relations in Seventeenth-Century New England. New Edition, Revised and Enlarged. New York 1966. S. 18 f.

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  9. Hierzu grundlegend, neben dem genannten Buch von J. Hoffmann, Otto Brunner: Das »ganze Haus« und die alteuropäische ›Ökonomik‹. In: O.B.: Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte. 2. Aufl. Göttingen 1968. S. 103–127; Dieter Schwab: »Familie«. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Bd. 2. S. 253–301.

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  10. J. Hoffmann: Die »Hausväterliteratur«. S. 97; Leonhard Friedrich: Eigentum und Erziehung bei Pestalozzi. Geistes- und realgeschichtliche Voraussetzungen. Bern, Frankfurt a.M. 1972. S. 12, 81–126. Zum rein juristischen Eigentumsbegriff s. S. 301 dieser Arbeit.

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  11. Der folgenden Interpretation liegen Kategorien und Befunde zugrunde, die Max Webers Beschreibung der ›charismatischen Herrschaft und ihrer Umbildung‹ entnommen sind. Siehe Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. 5., revid. Aufl., besorgt v. Johannes Winckelmann. Tübingen 1972. S. 654–687, insbesondere § 2, S. 661 ff.

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  12. »Übergangsrituaí« im Sinn von Arnold van Gennep: Les rites de passage. 1909.

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  13. Friedrich Sengle hat betont, daß Sentimentalität in der Restaurationszeit noch nicht grundsätzlich abgelehnt wird. Sentimentalität und Kritik derselben bestehen nebeneinander. Gotthelf verurteilt Sentimentalität dann, wenn er sie als Ausdruck einer neuhumanistischen Menschenliebe identifizieren kann, also als Ausdruck einer säkularisierten und aufgeklärten Frömmigkeit, die im Menschen nicht mehr den zucht- und erlösungsbedürftigen Sünder, sondern den Unglücklichen und Bemitleidenswerten sieht. Aber trotz schärfster Satiren auf diese philanthropische Sentimentalität scheut er sich nicht, seine frommen Bauern mitunter mit einem erstaunlichen Maß an Weinerlichkeit auszustatten, vor allem die ganze Familie auf Liebiwyl (in Geld und Geist). — Verfehlt ist die Arbeit von Oskar Müller: Das Problem der Sentimentalität in Gotthelfs historischen Novellen. Diss. Bern 1969. Müller mißt die Mangelhaftigkeit von Gotthelfs historischen Erzählungen am Vorkommen eines oder gar mehrerer ›sentimentalen Elementen‹ (S. 188.)

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  14. Wilhelm Kahler: Gesindewesen und Gesinderecht in Deutschland. Jena 1986. Kap. III: »Das geltende Gesinderecht«. — Durch Zusatzverträge wurden z.T. Geldstrafen festgelegt für: Trunkenheit, Beschädigung, Abwesenheit, Vergeßlichkeit, Unordentlichkeit, Unreinlichkeit usw. Selbst das Zubettgehen sollte, einem Vorschlag zufolge, vertraglich geregelt werden, s. William Lobe: Das Dienstbotenwesen unserer Tage. S. 64.

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  15. Ebda. S. 1 f.; Theodor von der Goltz: Die ländliche Arbeiterfrage und ihre Lösung. Danzig 1872. S. 64; Max Weber: Die ländliche Arbeitsverfassung (1893). In: M.W.: Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Tübingen 1924. S. 450.

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  16. Max Weber: Entwicklungstendenzen in der Lage der ostelbischen Landarbeiter (1894). Ebda. S. 470–507.

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Hahl, W. (1994). Uli der Knecht. Die Christliche Ökonomik als Roman. In: Jeremias Gotthelf — der »Dichter des Hauses«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03499-1_3

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