Zusammenfassung
Der geometrische Geist der Philosophie Descartes’ (1596–1650) hat im 17. Jahrhundert die Auseinandersetzung um die Imagination entscheidend geprägt. Bei der Lösung des schwierigen Problems der Beziehungen zwischen Geist und materiellem Körper war die Imagination gewissermaßen der Stein des Anstoßes. Descartes’ Auffassung der körperlich bedingten Denkformen, »die im Gegensatz zum reinen Denken mit der Unvollkommenheit der Sinnestätigkeit belastet sind« (U. Ricken 1984, S. 57), bestimmte den Horizont der Diskussion. Das unkörperliche Denken wurde als eigentlich menschlich der animalischen Imagination und den Leidenschaften entgegengesetzt.
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Notizen
Zitiert wird nach der Ausgabe von Jules Simon, Oeuvres de Malebranche. Nouvelle Edition, Paris 1842.
Die von postmodernen Philosophen vertretene Auffassung, daß erst Kant der Imagination als dem »Anderen der Vernunft« die systematische und negativ wertende Begründung gegeben habe, ist daher sachlich und theoriegeschichtlich irreführend. Siehe dazu weiter unten das Kapitel zu Kants Ästhetik. — Die Ausgrenzung und Diskriminierung eines »Anderen der Vernunft« ist ein Ergebnis des Rationalismus des 17. Jahrhunderts. Einen gewichtigen Widerspruch zum Cartesianischen Körper-Seele-Dualismus und zu der Auffassung der Imagination als der Quelle der Irrtümer hat Spinoza geltend gemacht, der vor allem scharf die Unterdrückung der Phantasie und der Leidenschaften durch eine absolute Vernunftmoral kritisierte. Vgl. dazu Michele Bertrand, Spinoza et l’imaginaire, Paris 1983
Ferdinand Alquié, Le rationalisme de Spinoza, Paris 1981
Filippo Migniri, Ars imaginandi: Appareza rappresentazione in Spinoza, Ercolano 1981,
sowie den die Spinoza-Rezeption behandelnden Sammelband von Pierre-François Moreau/Jacqueline Bonnamour (Hg), Spinoza entre lumière et romantisme, Paris 1985 (Les cahiers de Fontenay, Nr. 36 à 38).
Vgl. dazu jetzt Silvio Vietta, Literarische Phantasie: Theorie und Geschichte. Barock und Aufklärung, Stuttgart 1986.
Esther Fischer-Homberger, Krankheit Frau und andere Arbeiten zur Medizingeschichte der Frau, Bern-Stuttgart-Wien 1979, S. 198.
Vgl. zur Kritik der psychologischen und psychosomatischen Theoriegeschichte der Hysterie als weiblicher Krankheit Christina v. Braun, Nichtich — IchNicht, Frankfurt/ M. 1985, und Ulla Link-Heer, »Männliche Hysterie«. In: kultuRRevolution (Bochum), 9 (1985), S. 39–37, sowie die Übersicht über die Geschichte der Hysterie bei Regina Schaps, Hysterie und Weiblichkeit. Wissenschaftsmythen über die Frau, New York 1982.
Zu den Folgen der rationalistischen Spaltung der Menschheit in den Erziehungssystemen insbesondere der deutschen Aufklärung vgl. W. Promies, Der Bürger und der Narr oder das Risiko der Phantasie. Sechs Kapitel über das Irrationale in der Literatur des Rationalismus, München 1966, (darin insbesondere das 4. Kap.: »Der Trieb zum Absurden oder die Einbildungskraft«, S. 170–230).
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Barck, K. (1993). »Taumel der Imagination« — »Gift des Intellekts«. Nicolas Malebranches »Pathologie der Imagination«. In: Poesie und Imagination. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03497-7_3
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