Zusammenfassung
Es ist unwahrscheinlich, daß Goethe Carl Augusts beträchtliche persönliche Leistung für den »Frieden von Weimar« (Hans Tümmler) interessiert verfolgte. Vielleicht wurde er auch einfach über die auswärtige Politik des Fürsten unzureichend informiert. Seine Äußerung in den Tag- und Jahresheften 1795 über diesen Punkt ist auffallend kurz und konventionell1: »Nun verlauteten die Baseler Friedens-Präliminarien und ein Schein von Hoffnung ging dem nördlichen Deutschland auf. Preußen machte Frieden, Österreich setzte den Krieg fort, und nun fühlten wir uns in neuer Sorge befangen; denn Chursachsen verweigerte den Beitritt zu einem besondern Frieden. Unsere Geschäftsmänner und Diplomaten bewegten sich nun nach Dresden, und unser gnädigster Herr, anregend alle und thätig vor allen, begab sich nach Dessau.« Man kann verstehen, daß Goethe nach den Plagen im ersten Koalitionskrieg und nach den literarischen Belehrungen des Fürsten, die praktisch in eine Zensur ausarteten, Abstand vom Hofe gewinnen wollte, auch wenn er dadurch an Einfluß verlor. Diese Hofmüdigkeit ist an Goethes immer häufigeren Aufenthalten in Jena klar abzulesen (vgl. sein Tagebuch). Die akademische Freiheit und die zwanglosen akademischen Gespräche taten dem Höfling wohl. Während er in Weimar immer wieder »aufwarten« mußte, beim Herzog, bei der regierenden Herzogin Luise, bei der Herzogin-Mutter Anna Amalia — eine Einladung war ein Befehl —, gehörte in Jena der ganze Tag ihm selbst und den Freunden, von denen er Belehrung, Ermunterung wie auch Unterhaltung erwartete.
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Notizen
Tag- und Jahreshefte 1795, Th. 1. = Weimarer Ausg. Bd. 35, S. 51. Vgl. aber H. Tümmlers Aufsatz »Der Friede des klassischen Weimar« im Goethe-Jahrbuch N.F. 10. (1947), S. 191–218.
Karl-Heinz Hahn: Im Schatten der Revolution. Goethe und Jena im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts, in: Jahrbuch des Wiener Goethevereins Bd. 81/82/83 (1977/1978/1979), S. 41ff.
Hans Tümmler: Der Minister Goethe und die Universitätsreform, in: H.T.: Das klassische Weimar und das große Zeitgeschehen. Köln, Wien 1975, S. 21f.
Karl Otto Conrady: Goethes Leben und Werk. Bd. 2. Königstein/Taunus 1985, S. 222 spricht von einem »hochgebildeten, aber musealen Akademismus« […] »Die Zukunft gehörte Malern wie […] Runge, […] Friedrich«. Da es auch eine Zukunft nach den Romantikern gab, wäre es interessant zu wissen, ob Goethes Ausgehen vom »Gegenstand« die realistischen Maler ebenso ermutigte wie die realistischen Dichter.
u.a. Hans Tümmler: Carl August von Weimar. Stuttgart 1978, S. 137.
Fritz Hartung: Das Großherzogtum Sachsen unter der Regierung Carl Augusts 1775–1828. Weimar 1923, S. 187.
Christoph Fasel: Herder und das klassische Weimar, Kultur und Gesellschaft 1789–1803. Bern usw. 1988.
Hans Tümmler: Goethe der Kollege, in: H.T.: Kollegen, Freunde und Bekannte — Schutzbefohlene 1796–1805. Köln Wien 1970, S. 86.
Hanns Reiß: Fichte als politischer Denker, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie XLVIII (1962), S. 159 und 169.
K.-H. Fallbacher: Fichtes Entlassung, in: Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 67 (1985), S. 111–135.
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Nach Hans Tümmler: Goethes Anteil an der Entlassung Fichtes von seinem Jenaer Lehramt 1799, in: H.T.: Goethe in Staat und Politik. Köln/Graz 1964, S. 152.
Kurt Wais: Goethe und Frankreich, in: DVjs Bd. 23 (1949), S. 472–500.
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Kurt-R. Biermann: Goethe in vertraulichen Briefen Alexander von Humboldts, in: Goethe = Jahrbuch 1985, S. 11–20.
Gerhard Schulz: Theater um Goethe und die Brüder Schlegel. Bemerkungen zu Demarkationslinien der Literaturgeschichte, in: Goethe im Kontext, hg. v. Wolfgang Wittkowski. Tübingen 1984, S. 199f.
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H. Düntzer: Goethe und Carl August. Leipzig 1888, S. 655.
L. Geiger: Aus Alt-Weimar. Berlin 1897, besonders das 8. Kapitel: Franzosenschwärmerei und deutsche Gesinnung (bis 1815).
Vgl. auch Egloffstein: Carl Augut während des Krieges 1813. S. 101.
H. Düntzer: Goethe und Carl August. 1888, S. 682.
Egloffstein: Carl August während des Krieges von 1813. S. 106–109.
F.W. Reimer: Mitteilungen über Goethe, hg. v. Arthur Pollmer. Leizpig 1921, S. 346.
Hermann Freiherr von Egloffstein: Carl August im niederländischen Feldzug 1814. Weimar 1927, S. 19. Schriften der Goethe-Gesellschaft. Bd. 40.
Georg Bahls, Major a.D.: Carl August von Weimar als Soldat. Berlin-Charlottenburg 1932, S. 155.
Düntzer, Heinrich: Goethe und Karl August. Leipzig 1888, S. 698f.
Zu diesen Fragen vgl. neuerdings Rainer Koch: Deutsche Geschichte 1815–1848. Stuttgart 1985, S. 87f.
Düntzer, Heinrich: Goethe und Karl August. Bd. III. 1888, S. 702.
Karl Otto Conrady: Goethe. Bd. 2. Königstein/Ts. 1985, S. 294f.
Heinrich Düntzer: Goethe und Karl August. III. 1888, S. 712.
Karl-Heinz Fallbacher: Literarische Kultur in München zur Zeit Ludwigs I. und Maximilians II., München 1992.
Sulpiz Boisserée: Briefwechsel / Tagebücher. Bd. I. Neudruck 1970, S. 276.
Sulpiz Boisserée: Briefwechsel, Bd. I, Neudruck 1970, S. 288f.
Hans Tümmler: Carl August von Weimar. Stuttgart 1978, S. 256.
Hans Tümmler: Carl August von Weimar, 1978, S. 259f.
Fritz Hartung: Das Großherzogtum Sachsen unter der Regierung Carl Augusts. Weimar 1923, S. 319.
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Sengle, F. (1993). Weimar/Jena: Macht und Geist Während Einer Trügerischen Friedenszeit (1796–1806). In: Das Genie und sein Fürst. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03489-2_3
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