Zusammenfassung
Aufgrund des Gesagten darf als Tatsache gelten, daß Kafka die Hauptfiguren einzelner seiner Werke mit Antinomien konfrontiert, die weder von ihnen selbst noch vom Leser aufgelöst werden können. Dazu kommen immer wieder rätselhafte oder undurchsichtige Textstellen, die zu erklären der Rezipient nicht imstande ist, weil Kafka ihm zugleich mit der Präsentation des zur Auflösung verlok-kenden Sachverhalts die Mittel entzieht, die zur Bewältigung dieser Aufgabe nötig wären. Natürlich erhebt sich die Frage, was Kafka zu diesem Vorgehen veranlaßt hat. Eine mögliche Antwort ergibt sich aus seiner Biographie: Die Überprüfung seiner Lebenszeugnisse führt nämlich zu dem Ergebnis, daß er sich selbst andauernd Beziehungsfallen ausgesetzt sah, die von seinen Eltern aufgebaut worden waren. Da nach der Einsicht der Psychologie die Opfer solcher Doppelbindungen den auf ihnen lastenden Druck unter anderem dadurch zu mildern suchen, daß sie ihrerseits selbst wieder Beziehungsfallen produzieren, [618] scheint die Annahme naheliegend, entsprechende Elemente seines Erzählschaffens als Sedimentierungen eigener Lebenserfahrungen zu deuten, eine Vermutung, die durch den Umstand bekräftigt wird, daß Kafka selbst anderen gegenüber gelegentlich Beziehungsfallen benützte.
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Binder, H. (1993). Hintergrund. In: »Vor dem Gesetz«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03471-7_8
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00904-3
Online ISBN: 978-3-476-03471-7
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