Zusammenfassung
Das Verfahren, dem sich Josef K. im Proceß ausgesetzt sieht, wird im Text als Strafprozeß bezeichnet, der jedoch nicht vor einem »gewöhnlichen Gericht« geführt wird. [230] Die Schuld des Angeklagten, Grundlage seiner Verurteilung und Hinrichtung, kann also nicht auf der juristischen Ebene angesiedelt werden. Da Vor dem Gesetz im Dom-Kapitel des Romans zu dem Zweck erzählt wird, den angeklagten Josef K. über eine Art Präambel des Gesetzes zu informieren, welche die Beziehungen zwischen Angeschuldigten und verurteilendem Gericht regelt, darf man davon ausgehen, daß Binnenerzählung und Roman, die auf vielfältige Weise miteinander verknüpft sind, denselben Gebrauch vom Begriff des Gesetzes und den ihm verpflichteten Organen machen. Dies gilt jedenfalls unter der inzwischen interpretatorisch immer wieder bestätigten Voraussetzung, daß der Proceß (wie überhaupt Kafkas literarische Hervorbringungen) eine homogene Textur bildet, deren einzelne Teile, bis hinunter zu Requisiten und anderen randständigen Details, funktional aufeinander bezogen sind. Die Erzählbestandteile bilden ein aus Verweisungsketten und vielfältigen Querverbindungen bestehendes Textgewebe, in dem, abgesehen von den Unzulänglichkeiten, die durch den fragmentarischen Charakter vieler Werke verursacht werden, jedem Element ein bestimmter Stellenwert zukommt.
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Binder, H. (1993). Das Gesetz. In: »Vor dem Gesetz«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03471-7_6
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