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Einleitung

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Erzählsysteme
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Zusammenfassung

Wirft man den Geisteswissenschaften vor, sie theoretisierten zu viel, so verwechselt man den Begriff der Theorie mit dem der Abstraktheit, womöglich gar mit dem der Alltagsferne oder dem der Lebensfremdheit. In Wahrheit haben die Naturwissenschaften nicht nur viel häufiger Theorien entworfen als die Geisteswissenschaften, sondern in aller Regel auch schlüssigere und darum haltbarere. Eine Theorie im strengen Sinne liefert nämlich die gedankliche Begründung für ein empirisch sichtbares Phänomen, eine Literaturtheorie müßte daher die Herkunft der Literatur aus höheren Prinzipien ableiten oder den Zusammenhang literarischer Erscheinungen auf ein schlüssiges Theorem zurückführen. Das ist so gut wie nie geschehen und wird wohl auch in Zukunft nicht gelingen. Denn es würde voraussetzen, daß man das Wesen der Literatur bündig zu definieren wüßte bzw. daß systematische, d.h. geregelte Beziehungen zwischen den literarischen Phänomenen zu konstatieren wären. Beides ist nicht der Fall. Um nur drei Beispiele heranzuziehen: Viktor Šklovskijs »Theorie der Prosa« ist keine Prosatheorie, Welleks und Warrens »Theorie der Literatur« keine Literaturtheorie und Franz K. Stanzels »Theorie des Erzählens« keine Erzähltheorie, denn in keinem der Bücher werden die behandelten Gegenstände aus einem höheren Prinzip abgeleitet und in keinem werden geregelte Sachverhalte konstatiert und in einem Theorem begründet. Es handelt sich hier nicht um Theorien, sondern um Poetiken, wenn auch um Poetiken besonderer Art.

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Petersen, J.H. (1993). Einleitung. In: Erzählsysteme. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03464-9_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03464-9_1

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00896-1

  • Online ISBN: 978-3-476-03464-9

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

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