Zusammenfassung
Das Thema bringt zwei Faktoren von historischer Bedeutung zusammen: die Revolution, die ein Springquell fast aller sozialpolitischen Entwicklungen im Europa der letzten zweihundert Jahre war, und die ihr gleichzeitige deutsche Literatur, die — zumindest durch Goethe — den damaligen europäischen Epochenumbruch dichterisch repräsentiert, die aber in plötzlicher oder allmählicher Abwendung von der Revolution ihre Eigenart entfaltet. In Frage steht damit der widersprüchliche Zusammenhang epochaler Wirkungsmächte, der politischen und der literarischen, und dies am Beispiel zweier ihren sozialkulturellen Auswirkungen nach inkommensurabler Phänomene. Für die Berechtigung dieser Frage gibt es ein eindeutiges Zeugnis von Goethe selbst. Es steht in einem Aufsatz vom Beginn der zwanziger Jahre (»Bedeutende Fördernis durch ein einziges geistreiches Wort«):»[…] die grenzenlose Bemühung dieses schrecklichste aller Ereignisse in seinen Ursachen und Folgen dichterisch zu gewältigen«, sei »die vieljährige Richtung« seines »Geistes« gewesen; »die Anhänglichkeit an diesen unübersehlichen Gegenstand« habe »so lange Zeit her« sein »poetisches Vermögen fast unnützerweise aufgezehrt«2. Nahezu jedes Wort dieses Bekennntnisses setzt Markierungspunkte: »Richtung des Geistes«, »grenzenlose Bemühung«, »dieses schrecklichste aller Ereignisse«, »diesen unübersehlichen Gegenstand«, »gewältigen«. Hier ist von einer durch übermäßige Erregung erzeugten Anstrengung aller Kräfte die Rede, die nicht zu einem endgültigen Ergebnis konnen konnte.
Vgl. dazu den Vortrag »Revolution in Frankreich — Goethe und die Literatur in Deutschland«; abgedruckt im Geothe Jahrbuch, 107. Bd.. Weimar 1990.
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Referenzen
Peter Szondi: Einführung in die literarische Hermeneutik, Anhang B. Hrsg. v. J. Bollack und H. Stierlin. Frankfurt/M. 1975 (Studienausgabe der Vorlesungen, Bd. V), S. 409 f.
Jürgen Habermas: »Die Neue Unübersichtlichkeit«. Frankfurt/M. 1985 (edition suhrkamp, NF Bd. 321), S. 141.
Vgl. Kanzler von Müller: Unterhaltungen mit Goethe, Kleine Ausgabe hrsg. v. Ernst Grumach. Weimar 1959, S. 110.
Christa Bürger: Literarischer Markt und Öffentlichkeit am Ausgang des 18. Jahrhunderts in Deutschland. In: Christa Bürger, Peter Bürger, Jochen Schulte-Sasse (Hrsg.): Aufklärung und literarische Öffentlichkeit. Frankfurt/M. 1980 (Ed. suhrkamp 1040, NF Bd. 40), S. 204.
Burkhart Steinwachs: Epochenbewußtsein und Kunsterfahrung. Studien zur geschichtsphilosophischen Ästhetik an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland. München 1986 (Theorie und Geschichte der Literatur und der Schönen Künste, Bd. 66, NF, Reihe C, Bd. 4), S. 47.
Vgl. Christa Bürger: Der Ursprung der bürgerlichen Institution Kunst. Literatursoziologische Untersuchungen zum klassischen Goethe. Frankfurt/M. 1977.
Heinz Schlaffer: Goethes Versuch, die Neuzeit zu hintergehen. In: Paolo Chiarini: Bausteine zu einem neuen Goethe. Frankfurt 1987.
Ebd., VIII, 569. Unter diesem Aspekt erscheint der »Wilhelm Meister« als Einheit von »Individuairoman« und »Sozialisationsroman«. Vgl. Hartmut Steinecke: Romanpoetik von Goethe bis Thomas Mann. München 1987 (Uni-Taschenbücher 1435), S. 74.
Vgl. u. a. Heinz Schlaffer, Faust Zweiter Teil. Die Allegorie des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1981;
Albrecht Schöne: Götterzeichen, Liebeszauber, Satanskult, 2. Aufl., München 1982;
Jens Kruse: Der Tanz der Zeichen. Poetische Struktur und Geschichte in Goethes »Faust II«. Königstein/Ts. 1975 (Hochschulschriften, Literaturwissenschaft 71).
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Werner, HG. (1993). Revolution in Frankreich — Goethe in Deutschland. In: Literarische Strategien. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03460-1_9
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