Zusammenfassung
Die Geschichtlichkeit eines dichterischen Textes umfaßt alle Beziehungen des jeweiligen Textes zu seinen geschichtlichen Existenzumständen: die stofflichgegenständlichen Bezüge und deren Vermittlung an Autor und Publikum; die Entstehungsbedingungen; die sprachlichen, literarischen, ideellen Traditionen, an die sich der Text anschließt; die Wirkungsabsichten des Autors; Textstrategien; Rezeptionsmuster und Interpretationsresultate der verschiedenen Gruppen seines Publikums. Die Geschichtlichkeit eines dichterischen Textes ist also sehr vielschichtig strukturiert. Hans Joachim Kreutzer hat kürzlich in einem Aufsatz über den Kohlhaas darauf aufmerksam gemacht.1 Im folgenden soll nur ein Aspekt dieser Geschichtlichkeit erörtert werden, der allerdings in die ästhetische Kernzone eines historischen Dramas hineinreicht: die Geschichtlichkeit seiner fiktionalen Struktur. Es wird gefragt, wie sich in der fiktionalen Struktur von Kleists Schauspiel Prinz Friedrich von Homburg (1811 vollendet, erst 1821 gedruckt), das einen Stoff aus der brandenburgischen Geschichte des 17. Jahrhunderts einem — nicht nur preußischen — Publikum des beginnenden 19. Jahrhunderts vergegenwärtigen sollte, die Vermittlung von Konflikterfahrungen und das Angebot von Konfliktlösungen miteinander verschränken. Im Vordergrund des Interesses steht also nicht, welche historische Funktionalität das Geschichtsbild dieser Dichtung haben sollte, gehabt hat, haben könnte.
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Referenzen
Hans Joachim Kreutzer: Wann lebte Michael Kohlhaas? Über die ästhetische Einheit der Erzählung Kleists. In: Literatur und Geschichte 1788–1988. Hrsg. v. Gerhard Schulz und Tim Mehigan in Verbindung mit Marion Adams. Bern, Frankfurt/M., New York, Paris (o. J.). Einen sehr instruktiven Kommentar des Stückes bietet Klaus Kanzog: Heinrich von Kleist, »Prinz Friedrich von Homburg«. Text, Kontexte, Kommentar. München, Wien 1977 (Reihe Hanser 236; Literatur-Kommentare, Bd. 7). S. auch
Fritz Hackert (Hrsg.): Heinrich von Kleist, Prinz Friedrich von Homburg, Stuttgart 1979 (= Erläuterungen und Dokumente).
In der unüberschaubar werdenden Literatur zum »Homburg« bieten die früheren Kontroversen der DDR-Literaturwissenschaft ein dafür signifikantes Beispiel. Vgl. Siegfried Streller: Das dramatische Werk Heinrich von Kleists. Berlin 1966;
Hans-Günther Thalheim: Kleists »Prinz Friedrich von Homburg«. In: Ders., Zur Literatur der Goethezeit. Berlin 1969;
Bernd Leistner: Dissonante Utopie. Zu Heinrich von Kleists »Prinz Friedrich von Homburg«. In: Impulse, Folge 2. Berlin und Weimar 1979.
Vgl. Klaus Lüdersen: Recht als Verständigung unter Gleichen in Kleists »Prinz von Homburg« — ein aristokratisches oder ein demokratisches Prinzip? In: Kleist-Jahrbuch 1985. Hrsg. v. Hans Joachim Kreutzer. Berlin (1985).
Ebd., Bd. II, S. 135. S. a. Hans Joachim Kreutzer: Die Utopie vom Vaterland. Kleists politische Dramen. In: Oxford German Studies 1991/92.
Siegfried Streller: Verantwortung und Verantwortlichkeit in Kleists »Prinz Friedrich von Homburg«. In: Kleist-Jahrbuch 1991. Hrsg. v. Hans Joachim Kreutzer. Stuttgart 1991, S. 58.
Vgl. Peter Goldammer (Hrsg.): Schriftsteller über Kleist. Berlin und Weimar 1976, S. 522 ff.
Ingeborg Bachmann: Ausgewählte Werke. Berlin und Weimar 1987, Bd. I, S. 641.
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Werner, HG. (1993). Geschichtlichkeit in Kleists »Prinz Friedrich von Homburg«. In: Literarische Strategien. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03460-1_12
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