Zusammenfassung
„Ich möchte ein Mann sein, Herr Gott!“ wünscht sich Maggie Lee, die weibliche Hauptfigur aus Anna Gmeyners „Heer ohne Helden“.1 Den Seufzer Maggies mag manche Theaterautorin der Weimarer Republik geteilt haben, wenn sie auf Hindernisse und Vorurteile stieß, die für ihre männlichen Kollegen kein Thema waren. Die Klage hat nicht nur für die zwanziger Jahre ihre Berechtigung, sondern sie ist auch auf die Rezeptionsgeschichte anwendbar. Konnte der zeitgenössische Theaterkritiker Hans Kafka im Januar 1933 immerhin noch auf ein „gutes Dutzend wirksamer Dramatikerinnen verweisen“,2 so tendiert das Personengedächtnis der Nachkriegsforschung gegen Null. Die Zahl der Dramatikerinnen, die in den Standardwerken zum Theater der Weimarer Republik (Schweckendieck, Jaron, Köbner) und zum Exiltheater (Wächter, Durzak) oder in einem so aufwendigen — und ansonsten verdienstvollen — Nachschlagewerk wie dem „Biographischen Handbuch der deutschsprachigen Emigration“ eine Würdigung oder auch nur eine Erwähnung gefunden haben, liegt weit unter dem Kafkaschen Dutzend.3 Noch immer wird in den meisten Untersuchungen darauf bestanden, daß Frauen sich nur selten dem Theater zuwandten. Das führt bis in die Gegenwart zur Zementierung des Vorurteils, Frauen hätten dem Drama als öffentlicher Form kein großes Interesse entgegengebracht.4
Anmerkungen
3 Schweckendieck, Birgit: Das bürgerliche Zeittheater in der Weimarer Republik, Köln 1974; Jaron, Norbert: Das demokratische Zeittheater der späten 20er Jahre, Frankfurt/M. 1981; Koebner, Thomas: „Das Drama der Weimarer Republik“, in: Handbuch des Deutschen Dramas, hrsg. von Walter Hink, Düsseldorf 1980, S. 401–417. Wächter, Hans Christof: Theater im Exil, München 1973; Durzak, Manfred: Die Deutsche Exilliteratur 1933–1945, Stuttgart 1973; Röder, Werner, a.a.O. Die Liste der Arbeiten, in denen die Schriftstellerinnen kaum Beachtung finden, ließe sich beliebig fortsetzen. Als weitere Beispiele seien noch genannt: Winkler, Lutz (Hrsg.): Antifaschistische Literatur, Königstein 1979; Spelk, John M. (Hrsg): Deutsche Exilliteratur seit 1933, Bern, München 1976; Midell, Eike u.a.: Exil in den USA, Frankfurt/M. 1980; Mennemeier, Nobert/Trapp, Fritjoff: Deutsche Exildramatik 1933–1950, München 1980; Schneider, Hansjörg: Stücke aus dem Exil, Berlin (DDR) 1984; Elfe, Wolfgang u.a.: Deutsche Exilliteratur und Exildrama, Frankfurt/M. 1977.
4 Selbst Autoren, die sich zum Ziel gesetzt haben, an die Leistungen von Dramatikerinnen zu erinnern, machen da keine Ausnahme. Vgl. Tax, Sissi: marieluise fleißer — schreiben, überleben…, Basel, Frankfurt/M. 1984, S. 70; Bartos, Krzystof: „Eleonore Kalkowska: Josef und Zeitungsnotizen“, in: Theatrum Europaeum., hrsg. von Richard Brinkmann u.a., München 1982, S. 592.
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Stürzer, A. (1993). Einleitung. In: Dramatikerinnen und Zeitstücke. Ergebnisse der Frauenforschung. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03458-8_1
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