Zusammenfassung
Wenn die Reflexion über das Schöne die Form einer Ästhetik annimmt, wenn die Werte als im Subjekt gründend aufgefaßt werden, bleibt noch unvermindert die Frage danach, was innerhalb dieser Subjektivität als Prinzip für das Geschmacks urteil gehalten wird. Handelt es sich dabei um die Vernunft wie die Cartesianer und mit ihnen die Theoretiker der französischen Klassik es meinen oder um das Gefühl, die »Empfindsamkeit« des Herzens, wie es im Verlauf des 18. Jahrhunderts1 immer deutlicher von einer Strömung behauptet wird, die sowohl von Pascal wie auch vom englischen Empirismus ausgeht? Spricht man sich zugunsten der Vernunft aus, so faßt man das Geschmacksurteil entsprechend dem Modell eines logisch-mathematischen Urteils auf: Seine Objektivität ist analog zu derjenigen der Wissenschaften gewährleistet — die Gefahr des Klassizismus besteht im Verlust der Eigentümlichkeit des ästhetischen Urteils, in der Reduktion der Schönheit auf eine schlicht sinnliche Darstellung der Wahrheit Macht man demgegenüber das Gefühl zum ästhetischen Bewertungsprinzip, ist also der Geschmack mehr Sache des Herzens als der Vernunft, so kann die Autonomie der ästhetischen Sphäre zwar erhalten bleiben, aber — so scheint es — nur um den Preis einer derart radikalen Subjektivierung des Schönen, daß die Frage nach der Objektivität von Kriterien zugunsten eines vollkommenen Relativismus herabgewürdigt wird.
»Über Geschmack und Farben läßt sich nicht streiten… und dennoch wird es ständig gemacht!.«
F. Nietzsche
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Literatur
Von Cassirer und Bäumler, gewiß, aber auch ganz hervorragend bereits zuvor von K. Heinrich von Stein, Die Entstehung der neueren Ästhetik, Stuttgart 1886
C. Batteux, Einschränkung der schönen Künste auf einen einzigen Grundsatz, Übersetzt von J. A. Schlegel, Hildesheim/New York 1976, S. 30.
E. Cassirer, Die Philosophie der Aufklärung, Tübingen 1934, S. 397/398.
Siehe insbesondere D. Hume, »Of the standards oftaste« (1757), in: Of the standard of taste and other essays, hrsg. von John W. Lenz, Indianapolis 1975.
R. Bouveresse, Essais esthétiques, französische Ausgabe von Humes »Of the standard of taste«, Vrin 1974, S. 27–28.
G. W. Leibniz, Neue Abhandlung über den menschlichen Verstand, Viertes Buch, Kapitel II, Paragraph 14, Leipzig 1904.
A. G. Baumgarten, Meditationesphilosophicae de nonnullis adpoemapertinentibus, Paragraph 15f; übersetzt von Heinz Paetzold, Philosophische Betrachtungen über einige Bedingungen des Gedichts, Hamburg 1983.
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Ferry, L. (1992). Zwischen Herz und Vernunft. In: Der Mensch als Ästhet. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03437-3_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03437-3_3
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00865-7
Online ISBN: 978-3-476-03437-3
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