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Stadtbild und Städtebilder

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Die Eingebildete Metropole
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Zusammenfassung

Ein in Philosophie und Kunst bewanderter Berliner, Georg Simmel, besichtigt vor dem ersten Weltkrieg Rom. In einem Aufsatz unterzieht er seine Erfahrung einer ästhetischen Analyse. Dazu greift er auf zentrale Begriffe der idealistischen Ästhetik zurück [1]. Als Ganzes, schreibt Simmel, wirke Rom zweckmäßig geordnet, ohne daß die Stadt als Ganzes je zweckmäßig gestaltet worden sei. Die einzelnen Elemente der Stadtgestalt seien zwar, für sich betrachtet, Ausdruck unterschiedlicher Epochen, Interessen und Zwecke; doch ihr Nebeneinander und ihre Gegensätzlichkeit würden in einer vollkommenen organischen Einheit des Eindrucks aufgehoben. Was Element dieser organischen Einheit sei, verliere seinen zeitlichen und historischen Charakter und gewinne die Kraft, Ideen anschaulich zu repräsentieren. Die Stadt erlöse auch den Betrachter aus der Prosa seiner empirischen Existenz und versetze ihn in eine zeitenthobene Erfahrungssphäre. Rom sei schön wie ein Naturgebilde und zugleich ein »Kunstwerk höchster Ordnung« [2].

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Anmerkungen

  1. Peter Bürger, zur Kritik der idealistischen Ästhetik (1983).

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  2. Georg Simmel, Rom. Eine ästhetische Analyse (1922), S. 10.

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  3. Simmel, a.a.O., S. 25f.

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  4. Vgl. Kevin Lynch, Das Bild der Stadt (1960), S. 16f.

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  5. Eine erkenntnistheoretische Kritik dieser Vorstellung findet sich im dritten Band von Ernst Cassirers Philosophie der symbolischen Formen (1929), S. 70.

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  6. Die Stadt »ist nicht einfach ein beliebiges Objekt der Wahrnehmung, sondern sie ist selber eine Wahrnehmungseinrichtung, also weniger die Welt, die gesehen wird, als die real existierende Formidee, durch die hindurch die Welt gesehen wird. Die Stadt übersetzt die zerbrechlichen zeitlichen Strukturen des mythischen Erzählens in gebaute Formen, die auf Materialwiderstand und Dauer angelegt sind, Stadtmauern, Prozessionsstraßen, Tempel, Paläste, Brunnen, Stadtgrundriß, Straßengitter, zentrale Achsen haben die schlagende Einfachheit von Stimuli aus einem neuzeitlichen tierpsychologischen Labor«. In der Stadt »wird die physiologische Wahrnehmungsfähigkeit allererst vergesellschaftet, auf menschlich gesellschaftlicher Ebene wiederholt, im Material der alltäglichen Praxis.« (Dieter Hoffmann-Axthelm,MythosStadt — Wahrnehmung (1987), S. 42 / S. 41.)

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  7. Vgl. dazu das Kapitel Wunschbilder.

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  8. Diesen Aspekt der Architektur hat Walter Benjamin herausgestellt in Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1939), S. 504f.

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  9. Simmel, a.a.O., S. 19. — Damit dementiert Simmel selbst die im Haupttext vorgetragene These, Rom gebe »die beglückende Gewähr, daß alle [!] Sinnlosigkeit und Disharmonie der Weltelemente ihren Zusammenschluß zu der Form schöner Ganzheit nicht hindert.« (S. 18f.)

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  10. An Margarete Susman vom 17. Januar 1918, zitiert nach Strohmeyer, Berlin in Bewegung (1987), Bd. 2, S. 38.

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  11. Kevin Lynch, Das Bild der Stadt (1960); Thomas Sieverts, Stadt-Vorstellungen (1966); Susanna Duncan, Mental Maps of New York (1977); Roger M. Downs und David Stea, Kognitive Karten (1982).

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  12. Theodor W. Adorno, Valerys Abweichungen (1960), S. 159; vgl. auch die Ausfuhrungen Peter Szondis, der diese Äußerung Adornos am Ende seines Traktates Über philologische Erkenntnis (1962) zitiert.

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  13. Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen, Dritter Teil: Phänomenologie der Erkenntnis (1929), S. 124ff.

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  14. Ernst Cassirer hat das methodische Hauptproblem, das sich aus dem Erkenntnisinteresse einer solchen Untersuchung zwangsläufig ergibt, folgendermaßen benannt: »Gibt sich uns alles […] immer nur als geprägte Form zu eigen: wie können wir hoffen, den Akt der Prägung als solchen theoretisch verstehen […] zu können? Niemals kann es uns gelingen, die Funktion, die hier waltet, sozusagen unmittelbar zu betreffen: sie gibt sich uns nur in ihrem Ergebnis zu eigen und verschwindet immer wieder in diesem Ergebnis. Und doch zeigt sich ein Weg, sie wenigstens indirekt sichtbar zu machen: […] Immer sind in den Gebilden des Bewußtseins die Phänomene sozusagen geladen mit bestimmten rein darstellenden Charakteren; aber das dynamische Spannungsverhältnis, das hier obwaltet, ist nicht überall das gleiche. Und eben diese Ungleichheit, die Variabilität weist uns den Weg, die beiden Momente, die wir nicht anders als in ihrer Wechselbeziehung kennen, in eben dieser Wechselbeziehung voneinander zu unterscheiden.« (Ebd., S. 142.) In seiner Philosophie der symbolischen Formen vergleicht Cassirer Mythos, Kunst, Wissenschaft, Religion, um Gemeinsamkeiten und Differenzen in der Art und Weise des Aufbaus von Vorstellungsbildern der Welt zu ermitteln. Von Cassirers Verfahren ist die Interpretation der Städtebilder in der vorliegenden Arbeit über weite Strecken inspiriert worden.

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  15. Vgl. dazu die Interpretationen zu Kracauer in Kapitel 5 und 6; daneben Carlo Ginzburgs Aufsatz Spurensicherung (1980), der eine wissenschaftstheoretische Kontroverse um das »Indizienparadigma« ausgelöst hat.

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  16. Goethe, Maximen und Reflexionen, Nr. 509 (= S. 435 in der Hamburger Ausgabe, Bd. XII, 8. Auflage, 1978).

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  17. Volker Klotz, Die erzählte Stadt. Ein Sujet als Herausforderung des Romans von Lesage bis Döblin (1969).

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  18. Vgl. vor allem Heinz Knobloch, Vom Wesen des Feuilletons (1954); Erhard Schütz, Kritik der literarischen Reportage (1977); Ludwig Rohner, Der deutsche Essay (1965); Michael Geisler, Die literarische Reportage (1982).

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  19. Das Massenmedium Zeitung, in dem diese Texte erscheinen, läßt sich, in Anlehnung an Überlegungen Peter Bürgers, als Institution begreifen; das heißt als ein »System von Beziehungen, durch das die Produktion, Distribution und Rezeption literarischer Werke determiniert wird«, und von dem ausgehend die Formeigentümlichkeiten und die gesellschaftliche Funktion der Texte verstanden werden können (Peter Bürger, Institution Kunst als literatursoziologische Kategorie (1977). — Das Zitat stammt aus einem daran anknüpfenden Aufsatz P. U. Hohendahls: Von der politischen Kritik zur Legitimationswissenschaft (1983), S. 196.). Der institutionelle Rahmen der Stadtbeschreibungsliteratur ist in den folgenden Interpretionen stets mitbedacht worden, meist stillschweigend; einige Anmerkungen, die eine umrißhafte Vorstellung davon geben, müssen hier genügen.

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  20. Peter de Mendelssohn, Zeitungsstadt Berlin (1982), S. 369.

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  21. Sling,Uhlenhorst Kochstr. 22–26 oder Der Geist des Hauses ( 1927).

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  22. Wolfgang Schivelbusch, Die Frankfurter Zeitung (1982), S. 68. Das Zitat stammt aus der Korrespondenz, die der finanziellen Transaktion vorausging.

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  23. Larissa Reissner, Ullstein (1924), S. 217f.

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  24. Zitiert nach Helmut Lethen, Chicago und Moskau (1987), S. 211; in Lethens Aufsatz finden sich auch weitergehende Überlegungen zur Rezeption von Zeitungen im Berlin der zwanziger Jahre.

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  25. Hans Brennert, Gemeinde und Presse (1926), S. 540 und 543.

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  26. Reissner, a.a.O., S. 218f.

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  27. Walter Benjamin, Der Erzähler (1936), S. 439.

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  28. Edlef Köppen, Das Magazin als Zeichen der Zeit (1925); Siegfried Kracauer, Die Photographie (1927); Hermann von Wedderkop, Wandlungen des Geschmacks (1926).

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  29. Reissner, a.a.O., S. 224f.

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  30. Franz Hessel, Spazieren in Berlin (1929), S. 258f. Zitiert nach der Neuausgabe, die 1984 unter dem Titel Ein Flaneur in Berlin erschienen ist.

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  31. Walter Benjamin, Das Paris des Second Empire (1938), S. 528ff. Daran anknüpfend Eckhardt Köhn, Straßenrausch (1989).

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  32. Heinz Knobloch, Vom Wesen des Feuilletons (1954), S. 21.

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  33. Joseph Roth, Feuilleton (1921).

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  34. Ebd.

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  35. Joseph Roth, Antwort auf eine Rundfrage der Literarischen Welt (Die Tagespresse als Erlebnis) ( 1929).

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  36. Joseph Roth, Brief an Benno Reifenberg vom 22. April 1926, zitiert nach Margret Boveri, Joseph Roth und die Frankfurter Zeitung (1971), S. 792f.

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  37. Siegfried Kracauer, Über den Schriftsteller (1931).

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  38. Anton Kaes, Weimarer Republik (1982), S. XXXf.

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  39. Etwa bei Benjamin, Kracauer, Kisch, Heinrich Mann, Tucholsky, Paquet, Joseph Roth, um nur einige Beispiele zu nennen. Emst Glaesers Anthologie Fazit (1929) ist der erste Versuch eines Überblicks über diese literarische Strömung.

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  40. Walter Benjamin, Einbahnstraße (1928), S. 85.

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  41. Margret Boveri, a.a.O.

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  42. In: Ernst Bloch, Briefe 1903–1975 (1985). — Eine weitere wichtige Quelle sind Romane der zwanziger und dreißiger Jahre, in die die Erfahrung der Arbeit der Literaten für die Zeitung eingegangen ist, zum Beispiel Siegfried Kracauers Georg (1934) und Gabriele Tergits Käsebier erobert den Kurfürstendamm (1931).

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  43. Franz Hessel, Vorschule des Journalismus (1929), S. 104 und 109.

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  44. Gabriele Tergit, Käsebier erobert den Kurfürstendamm (1931), S. 14.

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  45. Walter Benjamin, Das Paris des Second Empire (1938), S. 536.

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  46. Joseph Roth, Feuilleton (1921), S. 804.

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  47. Alfred Döblin, Kunst ist nicht frei, sondern wirksam: ars militans (1929).

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  48. Michael Geisler, Die literarische Reportage (1982), S. 62ff.

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  49. Einen Überblick geben folgende Arbeiten: Wilmont Haacke, Handbuch des Feuilletons (1951–53); Heinz Kobloch, a.a.O.; Michael Geisler, a.a.O.; zur Vergegenwärtigung der Tradition des Berliner Feuilletons empfehlen sich vor allem die Anthologien von Sichelschmidt (Berlin! Berlin! (1980)) und Heinz Knobloch (Der Berliner zweifelt immer (1977)).

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  50. Einen Überblick über die Mitte der zwanziger Jahre allgemein bekannten Vorbilder gibt Hanns Heinrich Bormann in der Einleitung zu dem Sammelbändchen Die Zeitung. Darstellung und Bericht (1926).

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  51. Italo Calvino, Das Ohr, der Jäger, das Klatschmaul (1980).

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  52. Franz Hessel, a.a.O., S. 12 und 273ff.

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  53. Zum Beispiel die Anthologie Berlin Ein Heimatbuch (1925) von Karl Meyer.

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  54. Vgl. den Aufsatz Die Weltstadt als Heimat in dem Sammelwerk Probleme der neuen Stadt Berlin (1926).

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  55. Hermann Ulimann, Los von Berlin? (1932), S. 10.

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Bienert, M. (1992). Stadtbild und Städtebilder. In: Die Eingebildete Metropole. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03405-2_1

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