Aufklärung und Mythos in der letzten Welt: Christoph Ransmayrs Texte zwischen Moderne und Postmoderne

Zusammenfassung

1984 stellt sich der junge österreichische Schriftsteller Christoph Ransmayr mit einer Geschichte vor, die ein wichtiges Motiv seines Romans Die letzte Welt, der hier im Mittelpunkt der Interpretation stehen soll, auf einer anderen Ebene durchspielt: es geht in »Przemysl« ebenfalls um die prekäre Qualität des goldenen Zeitalters, hier: der Freien Republik Przemysl, die die Nacht zum Allerheiligentag des Jahres 1918 nicht überstehen wird.¹ Das goldene Zeitalter soll hier bestehen aus einem friedlichen Miteinander freier, gleichberechtigter Völker in einem vielstimmigen und demokratischen Staat, der die oft beschworene, aber nie wirklich gewordene Vision der Integrationskraft der österreichisch-ungarischen Monarchie in Realität umsetzt, nachdem diese endlich abgeschüttelt worden ist. Aber es würde sich schlechterdings um ein mitteleuropäisches Lehrstück handeln, wie der Untertitel verrät, wenn diese schöne Utopie binnen weniger Stunden nicht Lügen gestraft würde. Es stellt sich nämlich sehr bald heraus, daß die mitteleuropäischen Völker weder einen solchen freien und demokratischen Staat wollen, noch dazu in der Lage wären, ihn in die Praxis umzusetzten. »Gemeinsam ist den Angehörigen dieser famosen Völkerfamilie doch nur, daß sie bei jeder günstigen Gelegenheit über die Juden herfallen,« heißt dann ein bitterer Kommentar.²