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Audienzen

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Zusammenfassung

Am 8. Januar 1937 war Feuchtwanger zu einem dreistündigen Gespräch im Kreml von Stalin empfangen worden — eine Auszeichnung, die selbst hohen Politikern selten zuteil wurde2. In seinem Reisebuch hat er die Audienz beschrie-ben, und es gibt auch Fotos davon3. Sie zeigen vor einer kassettenartigen Holztäfelung (wohl im Kreml) den Romancier und den Diktator, ersteren mit Anzug und Krawatte, letzteren in seinem anspruchslosen militärischen Jackett ohne Rang- und Ehrenzeichen. Josef Stalin sieht seinen Kitschporträts, die damals überall hingen (und in den siebziger Jahren hierzulande in maoistischen Traktaten gerne wieder reproduziert wurden), erstaunlich ähnlich. Er blickt direkt in die Kamera, etwas eitel, sehr selbstbewußt und trotz seiner Ruhe und Würde voll Tatendrang: gleich wird er eine neue Aufgabe angehen. Läse man ihn in einem Romane Feuchtwangers beschrieben, Josef Wissarionowitschs Kopf wäre “fleischig” genannt, mit “zupackenden Augen”. Mächtig wirkt der kleine Mann neben dem kleineren Feuchtwanger. Der, in seiner Sprache: mit “nervösem” Schädel, “zerknittertem Gesicht”, sitzt da wie ein Schuljunge, weiß nicht recht, wo er mit den Händen hinsoll. Nur auf einem Bild blickt er zum Fotografen hin, hat ihm die Augen leicht zugewendet, aber nicht frontal den ganzen Kopf wie sein forscher Gastgeber. Mit herabgezogenen Mundwinkeln und leicht gesenkten Augen sieht der Schriftsteller sehr unfroh aus in dieser großen Stunde.

“Jehuda, noch tiefer erblaßt, schwieg. »Geh!«, schrie der König ihn an. »Geh mir endlich aus den Augen.«”1

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Notizen

  1. F. Finke: Zur Datierung des »Rabbi von Bacherach«. In: HEINE-JAHRBUCH 1965, 26 ff. Vgl. auch: Hans Marquardt: Nachwort zu: Heinrich Heine, Der Rabbi von Bacherach. Ost-Berlin 1978, 59 ff. sowie: Eintrag H. Str. [Horst Strittmatter] in Kindlers Literatur-Lexikon, VI, 7966

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  2. Hiller 1938, 236 Skierka, 185 gibt dieses Zitat wieder und ergänzt eine andere Polemik Hillers: “Feuchtwanger beispielsweise sei es nicht einmal wert, einem André Gide die Schreibmaschine zu putzen.” Diese (zugegeben: böse) Bemerkung hat aber mit Hillers Ablehnung der Mode, historische Romane zu schreiben, überhaupt nichts zu tun! Sie entstammt Hillers Replik auf Feuchtwangers dreisten Artikel gegen Gide: Der Ästhet in der Sowjetunion (1937): wieder in Hiller, 1950, 196 ff.

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Kröhnke, K. (1991). Audienzen. In: Lion Feuchtwanger — Der Ästhet in der Sowjetunion. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03389-5_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03389-5_3

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00791-9

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