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Pathologische Freiheit

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Ent-Täuschungen

Zusammenfassung

Wenige Ideen erfreuen sich einer solchen Wertschätzung wie die Idee der Freiheit, die in der philosophischen Literatur wie in Sonntagsreden gleichermaßen als hohes Gut gepriesen wird. Das ist der Grund dafür, daß man einerseits so viel Aufhebens von ihr, sich aber andererseits auch so wenig Gedanken über sie macht, so daß Hegels Feststellung, über keine Idee wisse man es so allgemein, »daß sie unbestimmt, vieldeutig und der größten Mißverständnisse fähig und ihnen deswegen wirklich unterworfen ist als über die Idee der Freiheit«[1], ihre Relevanz bis heute nicht verloren hat. Eines der gewöhnlichsten Mißverständnisse ist aber die Annahme, Freiheit sei ein Wert, obgleich man seit Schellings Formel, Freiheit sei ein Vermögen zum Guten und zum Bösen zugleich, das Unzureichende dieser Vorstellung hätte bemerken müssen. Daß die Freiheit ambivalent und eine Medaille mit zwei verschiedenen Seiten und daher so nützlich wie schädlich, jedenfalls aber unvermeidlich ist, das ist freilich schon früh, und später aller Propaganda zum Trotz, immer wieder reflektiert worden. In unserer Zeit hat nun Günther Anders (* 1902) mit seiner These, der Mensch sei unbestimmt und in der Welt auf kein Verhalten festgelegt, wieder an diese Tatsache erinnert.

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Anmerkungen

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Wokart, N. (1991). Pathologische Freiheit. In: Ent-Täuschungen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03369-7_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03369-7_1

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00771-1

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