Skip to main content

Die Problematisierung der Bildbeschreibung. Goethes Kupferstichanzeigen in den Frankfurter Gelehrten Anzeigen

  • Chapter
Book cover Im Buchstabenbilde
  • 28 Accesses

Zusammenfassung

Am 12. Mai 1772 erscheint im 38. Stück der Frankfurter Gelehrten Anzeigen folgende kurze Rezension eines Kupferstichs:

Kupferstiche

Ein Blatt, »Die drei Apostel« unterschrieben, nach Michelangelo von Caravaggio, von Oesern gezeichnet, von Bausen radiert. Ein Blatt, das weder Künstler noch Liebhaber entbehren kann. Das Beisammensein in einem Geist dreier durch brüderlichste Mannigfaltigkeit charakterisierter, menschenfreundlich-edler alter Köpfe; solch eine Seelenruhe durch eine dämmernde Haltung drüber gehaucht. Es ist das empfundenste Kunstwerk, das uns seit langer Zeit vor die Augen gekommen. Auch lallen wir nur eine Anzeige, um jeden wahren Liebhaber einzuladen, mit uns die Freuden der Empfindung und Erkenntnis zu genießen, die eine anhaltende Betrachtung solch eines Werks einer fühlenden Seele reichlich gewährt.

Ist in der Andräischen Buchhandlung allhier zu haben fär 1 fl. 45 kr. [1]

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Anmerkungen

  1. Goethes Werke werden unter Angabe von Band und Seitenzahl nach der Berliner Ausgabe (Sigle: BA) zitiert, hier: BA 19, 7. — Abb. des Kupferstichs in: Max Morris: Goethes und Herders Anteil an dem Jahrgang 1772 der Frankfurter Gelehrten Anzeigen. Dritte veränderte Auflage. Stuttgart/Berlin 1915, nach S. 64.

    Google Scholar 

  2. Zum späteren Carracci- und Caravaggio-Bild der Weimarer Kunstfreunde vgl. vor allem die Urteile Heinrich Meyers in seinem Entwurf einer Kunstgeschichte des Achtzehnten Jahrhunderts in: Johann Wolfgang Goethe: Winckelmann und sein Jahrhundert in Briefen und Aufsätzen. Mit einer Einleitung und einem erläuternden Register von Helmut Holtzhauer. Leipzig 1969, S. 117ff.

    Google Scholar 

  3. Vgl. Friedrich Schulze: Adam Friedrich Oeser. Der Vorläufer des Klassizismus. Leipzig o.J. [1943], S. 49 f.

    Google Scholar 

  4. Vgl. hierzu August Langen: Anschauungsformen in der deutschen Dichtung des 18. Jahrhunderts. Jena 1934.

    Google Scholar 

  5. Hans Christoph Buch: Ut Pictura Poesis. Die Beschreibungsliteratur und ihre Kritiker von Lessing bis Lukács. München 1972, S. 21 f., 28 ff.

    Google Scholar 

  6. Johann Joachim Winckelmann: Geschichte der Kunst des Alterthums. Dresden 1764, S. 229 ff. In Lessings Laokoon »Reiz« als Übersetzung von lat. gratia: »Reiz ist Schönheit in Bewegung […].« Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Hrsg. von Herbert G. Göpfert. Bd. VI. Kunsttheoretische und kunsthistorische Schriften. München 1974, S. 139. 10 [Christian Ludwig von Hagedorn]: Betrachtungen über die Mahlerey. Erster Theil. Leipzig 1762, S. 26, 29 f.

    Google Scholar 

  7. Vgl. dazu besonders Albert Dresdner: Die Entstehung der Kunstkritik im Zusammenhang der Geschichte des europäischen Kunstlebens. München 1968 [zuerst 1915], S. 82 ff.

    Google Scholar 

  8. Hagedorn (wie Anm. 10), S. 18. Die Idee der Einheit in der Mannigfaltigkeit war bereits für die Renaissancetheorie grundlegend; sie geht auf Leon Battista Albertis Malerei-Traktat zurück. Vgl. Martin Gosebruch: »Varietà« bei Alberti und der wissenschaftliche Renaissancebegriff. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 20 (1957), S. 229–238.

    Article  Google Scholar 

  9. Vgl. August Langen: Der Wortschatz des deutschen Pietismus. Zweite, ergänzte Auflage. Tübingen 1968.

    Google Scholar 

  10. Vgl. auch den Artikel Haltung in: Johann Georg Sulzer: Allgemeine Theorie der schönen Künste […]. Neue vermehrte zweyte Auflage. Zweyter Theil. Leipzig 1793, S. 461.

    Google Scholar 

  11. Vgl. für Goethes von Hamann übernommene enthusiastische Verwendung des Wortes »lallen« die von Max Morris gesammelten Beispiele in: Max Morris: Goethes und Herders Anteil an dem Jahrgang 1772 der Frankfurter Gelehrten Anzeigen. 2. veränderte Auflage. Stuttgart/Berlin 1912, S. 139 f.

    Google Scholar 

  12. W D. Robson-Scotts Bemerkung zum hier besprochenen Goethe-Text ist deshalb mißverständlich: »The emphasis throughout is on the emotional impact on the soul of the beholder and not on the objective qualities of the work.« Es sind gerade die objektiven Qualitäten des Kunstwerks, die die Wahrnehmungsweise des Betrachters bestimmen. Vgl. William D. Robson-Scott: The Younger Goethe and the Visual Arts. Cambridge 1981, S. 48.

    Google Scholar 

  13. BA 19, 33 f. — Damit ist nicht gesagt, daß Goethes Ausführungen zur Straßburger Münsterfassade nicht auf eine genaue objektbezogene Einsicht in die real gebaute Architektur zurückgehen, wie die gängige Forschungsposition zu Goethes Schriften über das Straßburger Münster besagt; vgl. etwa Harald Keller: Goethes Hymnus auf das Straßburger Münster und die Wiedererweckung der Gotik im 18. Jahrhundert. 1772/1972. München 1974. (= Bayerische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte 1974. Heft 4.) Wie eng sich Goethes Formulierungen auf die konkrete Werkgestalt der Münsterfassade beziehen lassen, hat dagegen überzeugend Reinhard Liess nachweisen können;

    Google Scholar 

  14. vgl. Reinhard Liess: Goethe vor dem Straßburger Münster. Zum Wissenschaftsbild der Kunst. Weinheim 1985. Freilich gelangt Liess in seinem Buch zu äußerst problematischen Konsequenzen, weil er aus dem Begriff des organischen Kunstwerks die Notwendigkeit einer morphologischen Kunstbetrachtung folgert; vgl. hierzu meine Rezension in: Michigan Germanic Studies XIII (1987), S. 96–100.

    Google Scholar 

  15. Jochen Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur, Philosophie und Politik 1750–1945. Bd. 1. Von der Aufklärung bis zum Idealismus. Darmstadt 1985, S. 195.

    Google Scholar 

  16. Vanloos Skizzen sind mit Ausnahme der siebten (Apothéose de Saint Grégoire), die sich in der Ermitage befindet, heute verschollen. Zur Geschichte des Zyklus vgl. Marc Sandoz: La chapelle Saint Grégoire de l’église Saint Louis des Invalides. In: Gazette des Beaux-Arts 77 (1971), S. 129–144. Vgl. dort S. 133 die Abbildungen von Vorzeichnungen Vanloos, S. 134 die Stiche nach den Skizzen, S. 135 die in der Ermitage erhaltene Apothéose. — Goethe hat die von mehreren Stechern geschaffenen Kupferstiche, die vor dem Abtransport der Bilder nach Petersburg in Eile hergestellt worden waren, 1818 in Leipzig ersteigert; vgl. Goethes Graphiksammlung. Die Franzosen. Katalog und Zeugnisse. Bearbeiter der Ausgabe Gerhard Femmel. München/Leipzig 1980, S. 127–129, Nr. 44 (5/11). Gute Abbildungen im gleichen Band.

    Google Scholar 

  17. Roland Mortier: Diderot in Deutschland 1750–1850. Stuttgart 1967, S. 268.

    Google Scholar 

  18. August Langen: Die Technik der Bildbeschreibung in Diderots »Salons«. In: Romanische Forschungen 61 (1948), S. 324–387.

    Google Scholar 

  19. Vgl. auch Jacques Chouillet: Du langage pictural au langage littéraire. In: Diderot et l’Art de Boucher à David. Les Salons: 1759–1781. Ausstellungskatalog Paris 1984, S. 41–54.

    Google Scholar 

  20. Vgl. dazu die Belege bei Peter-Eckhard Knabe: Schlüsselbegriffe des kunsttheoretischen Denkens in Frankreich von der Spätklassik bis zum Ende der Aufklärung. Düsseldorf 1972, S. 228.

    Google Scholar 

  21. Zur Übertragung von Shaftesburys Begriff der inneren Form aufs Kunstwerk vgl. Reinhold Schwinger: Innere Form. Ein Beitrag zur Definition des Begriffes aufgrund seiner Geschichte von Shaftesbury bis W v. Humboldt. In: Reinhold Schwinger/Heinz Nicolai: Innere Form und dichterische Phantasie. Zwei Vorstudien zu einer neuen deutschen Poetik. Hrsg. von Karl Justus Obenauer. München 1935, S. 13 ff.

    Google Scholar 

  22. Herbert Dieckmann: Die Wandlung des Nachahmungsbegriffes in der französischen Ästhetik des 18. Jahrhunderts. In: Hans Robert Jauß (Hrsg.): Nachahmung und Illusion. Kolloquium Gießen Juni 1963. Vorlagen und Verhandlungen. München 1964 (= Poetik und Hermeneutik 1), S. 49.

    Google Scholar 

  23. Norman Bryson: Word and Image. French Painting of the Ancien Régime. Cambridge 1981, S. 190. »The tendency to reduce an image to a core text is marked in all the early Salons (1759, 1761 and 1763): Diderot not only takes pleasure in the verbal reductions (which can be devastating); he clearly thinks that the capacity of an image to be distilled into a core-text is itself a mark of excellence; an excellence he finds in abundance in Greuze.« Ebd., S. 185 f.

    Google Scholar 

  24. Johann Joachim Winckelmann: Kleine Schriften. Vorreden. Entwürfe. Hrsg. von Walther Rehm. Mit einer Einleitung von Hellmut Sichtermann. Berlin 1968, S. 43.

    Google Scholar 

  25. Vgl. Wolfgang Stammler: »Edle Einfalt«. Zur Geschichte eines kunsttheoretischen Topos. In: Worte und Werte. Bruno Markwardt zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Gustav Erdmann und Alfons Eichstaedt. Berlin 1961, S. 362.

    Google Scholar 

  26. So die Übersetzung in Denis Diderot: Ästhetische Schriften. Aus dem Französischen übersetzt von Friedrich Bassenge und Theodor Lücke. Frankfurt 1968. Bd. 1, S. 520.

    Google Scholar 

  27. Die Stiche befinden sich nicht in Goethes 40 Blätter umfassender Lorrain-Sammlung; vgl. Femmel (wie Anm. 38). Abbildungen der Originalgemälde bei Marcel Röthlisberger: Claude Lorrain. The Paintings. Vol. 2. Illustrations. New York 1979 (zuerst New Haven 1961), Abb. 211 (Liber veritatis 122) und 158 (Liber veritatis 82);

    Google Scholar 

  28. der Morgen-Stich (Liber veritatis 122) auch als Frontispiz zu Morris (wie Anm. 20). Zu Goethes Lorrain-Urteil vgl. Christian Lenz: Claude Lorrain im Urteil Goethes. In: Marcel Röthlisberger: Im Licht von Claude Lorrain. Landschaftsmalerei aus drei Jahrhunderten. Ausstellungskatalog München 1983, S. 49–53.

    Google Scholar 

  29. Der junge Goethe (wie Anm. 37), Bd. II, S. 255. Zur Bedeutung Pindars für die Genieästhetik vgl. jetzt vor allem Schmidt (wie Anm. 26), S. 179–192. Zum Kontext des Zitats vgl. Arthur Henkel: Wandrers Sturmlied. Frankfurt 1962, S. 22 f.

    Google Scholar 

  30. BA 17, 220. Zu Goethes Gessner-Kritik vgl. Thomas Bürger: Auch Er war in Arcadien! Stimmen für und wider Gessner. In: Maler und Dichter der Idylle. Salomon Gessner. 1730–1788. Ausstellungskatalog Wolfenbüttel 1980, S. 181–191, bes. S. 183–187.

    Google Scholar 

  31. Hier ist ausdrücklich nicht von Natur, sondern von Landschaft die Rede, dies im Sinne von Joachim Ritters Definition: »Landschaft ist Natur, die im Anblick für einen fühlenden und empfindenden Betrachter ästhetisch gegenwärtig ist […].« Berge, Flüsse und Felder werden erst dann zu Landschaften, »wenn sich der Mensch ihnen ohne praktischen Zweck in »freier« genießender Anschauung zuwendet, um als er selbst in der Natur zu sein.« Vgl. Joachim Ritter: Landschaft. Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft. In: ders.: Subjektivität. Sechs Aufsätze. Frankfurt 1974, S. 150f. Erst in ihrer ästhetischen Vergegenwärtigung als Landschaft kann Natur wieder zum Paradies und die verlorene Teleologie zurückgewonnen werden.

    Google Scholar 

  32. Friedrich Gottlieb Klopstock: Ausgewählte Werke. Hrsg. von Karl August Schieiden. München 1962, S. 19.

    Google Scholar 

  33. Johann Gottfried Herder: Sämtliche Werke. Hrsg. von Bernhard Suphan. Bd. XXIX. Berlin 1889, S. 297f.

    Google Scholar 

  34. Vgl. hierzu Gerhard Kaiser: Klopstock. Religion und Dichtung. Gütersloh 1963, S. 133–160.

    Google Scholar 

  35. Die Gedichte Ossians des Celtischen Helden und Barden. Aus dem Englischen und zum Theile der Celtischen Ursprache übersetzt von Freyherrn von Harold. Zweyte verbesserte mit vielen bisher unentdeckten Gedichten vermehrte Auflage. Mannheim 1782. Bd. 2, S. 166. (Fingal, V.)

    Google Scholar 

  36. Vgl. dazu August Langen: Verbale Dynamik in der dichterischen Landschaftsschilderung des 18. Jahrhunderts. In: ders.: Gesammelte Studien zur neueren deutschen Sprache und Literatur. Berlin 1978, S. 21–86; bes. S. 57ff.

    Google Scholar 

  37. Vgl. dazu Marcel Röthlisberger: Claude Lorrain. The Paintings. Vol. I: Critical Catalogue. New York 1979, S. 233.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1991 Springer-Verlag GmbH Deutschland

About this chapter

Cite this chapter

Osterkamp, E. (1991). Die Problematisierung der Bildbeschreibung. Goethes Kupferstichanzeigen in den Frankfurter Gelehrten Anzeigen. In: Im Buchstabenbilde. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03364-2_2

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03364-2_2

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00764-3

  • Online ISBN: 978-3-476-03364-2

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

Publish with us

Policies and ethics