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Vom Gesetz Der Allianz Zur Freiheit Der Liebe. Die Entstehung Des Liebesdiskurses und Die Entfaltung Seinfr Inneren Semantik

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Drama Liebe

Zusammenfassung

Liebessemantiken sind alte Kulturbegleiter. Was das 18. Jahrhundert dabei besonders hervorhebt, ist eine Veränderung der Funktion von Liebe im gesamten Kulturtext. Die Vermutung, die sich aus der kulturhistorischen Forschung ableiten läßt, lautet - zunächst global -, daß Liebe und Identität in ein neues semantisches System eingebracht werden. Das Feld von Bedeutungen, das sich dabei ergibt, weist durchaus zahlreiche aus der abendländischen Tradition bekannte Motive und Topoi auf; neue kommen hinzu.[1] Wie sich diese Elemente zu einem Diskurs formieren, welche Strategien dabei wirksam sind, gilt es zu beschreiben. Entlang der Analyse des literarischen Liebestopos im Drama können als literarhistorischer Beitrag zu einer solchen Diskursgeschichte von Liebe diskursbildende und diskurskritische Elemente dargestellt werden. Die Texte dieser Gruppe dokumentieren den Beginn der Geschichte des Liebestopos in den Dramen der vierziger Jahre. Mit der Herausbildung einer neuen dramatischen Ästhetik, der des ‘bürgerlichen’ Dramas, rückt Liebe als Sujet allmählich in den Vordergrund.

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Notizen

  1. Siehe hierzu Wegmann (1988, S. 58–70), der die Charakteristika des höfischen Verhaltens prägnant zusammenfaßt. Dessen Genese und Struktur hat bekanntlich zuerst Elias (1982, Bd. 1 und 2) dargestellt.

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  2. Siehe S. 124.- Wicke (1965, S. 3) ltefert zu dieser Szene folgenden Hinweis: 201C;Diese tränenreiche Szene ist keineswegs empfindsam, sondern vielmehr komisch. Das für die Frühaufklärung typische Witwe-von-Ephesus-Motiv klingt hier an: Gattenliebe über den Tod und eine angemessene Trauerzeit hinaus gilt als unvernünftig und mithin lächerlich.” Diese Kontextinformation zeigt, daß die Bindungen im Allianzsystem keine starke emotionale Betonung hatten, wie sie später im Liebesdiskurs sich entwickelt - wenn der Code komplex und tendenziell ins Exzeptionelle stilisiert wird und die Beziehungen stark individualisiert; Liebe und Tod wiegen dann schwerer.

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  3. Siehe z.B. S. 303: Ernst Gotthard kann nicht sagen, was ihm fehlt - die Antwort Heinrichs ist bezeichnend: “Je nun! wenn Sies nicht sagen können so wirds auch wohl nichts seyn.” - Eine andere prägnante Textstelle ist der Kommentar Gotthards zu den “närrischen Einfällen” (S. 313) seines Sohnes: “Aber Ernst, so lange du noch eine gesunde Vernunft hast, so kannst du ja wohl sehen, daß es lauter Possen sind.” (S. 313)

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  4. Insofern kritisiert Wicke (1965, S. 51) zu Recht Wetzels Überinterpretation (1956) und stellt in diesem Zusammenhang fest: “‘Liebe’ bezeichnet nicht mehr als das empfindsame Bekenntnis zur Tugendhaftigkeit des andern.201D;

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  5. Siehe hierzu auch Pikulik, 1981, S. 25, und Brüggemann, 1935, S. 12; dagegen, daß Brüggemann in diesem Zusammenhang auch Lessings “Miß Sara Sampson” anführt, muß allerdings Einwand erhoben werden (siehe Kapitel II). Ferner Kluckhohn, 1966, S. 145; Rosenbaum, 1982, S. 264. Martens, 1962, S. 77, kommentiert: “Lorchens edles Betragen nötigt ein empfindsames Herz förmlich zur Liebe.201D;

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  6. Gänzlich unkritisch und unplausibel erscheint die Deutung von Schlingmann (1967, S. 135f.), dessen Thesen am Text nicht belegt werden können: Der vorübergehende Widerstand, den die Mutter der Heirat entgegensetzt, werde “zum auslösenden Moment für die Liebe, die bisher fehlte und die nun unbewußt in Christianchen erwacht. Was konventionell als Anbahnung einer Vernunftehe begann, entwickelt sich dank der Provokation der Richardin zu einer neuen seelischen Wirklichkeit.” Schlingmann übersieht den eigentlichen Konflikt im Text, der mit Hilfe der zwanghaften Schlußlösung harmonisiert werden soll.

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  7. Brüggemann (1933, S.25) bemerkt dies ebenfalls als “unpersönlichen Grad des unentwickelten neuen Gefühlslebens”, identifiziert aber nicht die Strategie, in welche sich der Brauttausch im Text einordnet.

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  8. Kluckhohn (1966, S. 141–145) zeigt, daß dieser Gedanke auf Leibniz zurückgeht, wo er theologisch abgeleitet wird: die Liebe zu Gott ist die höchste, weil Gottes Vollkommenheiten unbegrenzt sind. Bei Leibniz “wird die Freude an den Vollkommenheiten des Geliebten gerade zur Begründung der höheren Liebe” (142). Der Vollkommenheitstrieb stand “im Zentrum der Morallehre der Aufklärung, die darum gerne die Liebe definierte als ein Vermögen, das man aus den Vollkommenheiten der geliebten Person gewinne.” (145)

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  9. Siehe Fuchs, 1985, Bd.4 (ausführliche Darstellung). Ferner Luhmann, 1982, zur Ebene der Liebessemantik im galanten Code: Kapitel 5 und 6.

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  10. Auch Schlingmann (1967, S. 139) bemerkt diese wichtige Veränderung: “Jedoch enthält die Liebe zwischen Damis und Julchen bereits einen individuellen, die ganze Person mit ihren Eigenarten umfassenden Anspruch, der mit den Kategorien von Vernunft und Tugend nicht mehr zur Deckung zu bringen ist.201D;

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  11. Steinmetz (1987, S. 63) weist auf diesen Übergang hin: “Die in der Frtihaufklärung rational fundierten Tugend- und Moralvorstellungen werden emotionalisiert, so daß Tugenderkenntnis und moralisches Gefühl beinahe zu synonymen Begriffen werden.201D;

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  12. J.E. Schlegel, Canut [1746] 1971.

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  13. Zur Tradition des Liebessujets in der Schäferdichtung siehe Garber, 1982, S. 47f. Ferner Hirsch, 1976, der einige aufschlußreiche Vorläufer der modernen Liebessemantik an Schäferromanen des 17. Jahrhunderts beschreibt.

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  14. Zur Entwicklung der Gattungen in der Schäferdichtung im 17. und 18. Jahrhundert, insbesondere zum Rokoko-Schäferspiel siehe Garber, 1982, besonders S. 63. Ferner Preisendanz, 1980, S.12.

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  15. Garber (1985, S. 37) entwickelt einen Begründungszusammenhang für den Niedergang der Gattung im 18. Jahrhundert, ohne jedoch die veränderte Funktion des Liebessujets zu beachten.

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  16. Wenn Steinmetz (1966, Nachwort) bemerkt, die Figuren führten “die ftir das rührende Lustspiel charakteristischen Worte ‘zärtlich’ und ‘Zärtlichkeit’ nicht nur häufig im Munde”, sondern offenbarten “in ihren Aussagen auch eine tiefer als nur in der Sprache verwurzelte Neigung zu empfindsamem Denken und Fühlen”

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  17. Pikulik (1981, S. 19–36) gibt einen Überblick über die “Auffassungen der Liebe” in der frühen sächsischen Komödie und der Rührkomödie, die Darstellung bleibt jedoch überwiegend im Phänomenologisch-Konstatierenden, ohne die strukturellen Ebenen von Diskurs und Semantik zu erreichen und damit den literarischen Liebestopos als Teil der Textmodelle zu erfassen.

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  18. Zum Thema The und Treue im friihaufklärerischen Lustspiel siehe auch Friederici (1957, S. 85–90) der einen informativen Überblick über einige Stücke gibt, allerdings gelegentlich fragwürdig mit moralischen Kriterien argumentiert.

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  19. Wegmann (1988, S. 58) bemerkt über die Aufklärung generell, “die aufklärerische Diskursformation” setze durchgängig “auf die Technik der dualistischen Polarisierung bei der Durchsetzung ihrer Ziele.201D;

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  20. Die deutlichste Position dieser Art in der Gellert-Forschung vertritt May (1928); siehe speziell S. 169. Einen Überblick über diese Deutungstradition liefert Schlingmann, 1967, S. 10–74, besonders S. 10, der sich um eine Revision des Gellert-Bildes bemüht.

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  21. Grimminger, 1980a (Einleitung zu Bd. 3 der Hanser Sozialgeschichte der deutschen Literatur).

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Greis, J. (1991). Vom Gesetz Der Allianz Zur Freiheit Der Liebe. Die Entstehung Des Liebesdiskurses und Die Entfaltung Seinfr Inneren Semantik. In: Drama Liebe. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03357-4_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03357-4_2

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  • Print ISBN: 978-3-476-00753-7

  • Online ISBN: 978-3-476-03357-4

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