Zusammenfassung
Die postmodeme Haltung erscheint mir wie die eines Mannes, der eine kluge und sehr belesene Frau liebt und daher weiß, daß er ihr nicht sagen kann: ‘Ich liebe dich inniglich’, weil er weiß, daß sie weiß (und daß sie weiß, daß er weiß), daß genau diese Worte schon, sagen wir, von Liala geschrieben worden sind. Es gibt jedoch eine Lösung. Er kann ihr sagen: ‘Wie jetzt Liala sagen würde: Ich liebe dich inniglich.’ In diesem Moment, nachdem er die falsche Unschuld vermieden hat, nachdem er klar zum Ausdruck gebracht hat, daß man nicht mehr unschuldig reden kann, hat er gleichwohl der Frau gesagt, was er ihr sagen wollte, nämlich daß er sie liebe, aber daß er sie in einer Zeit der verlorenen Unschuld liebe. Wenn sie das Spiel mitmacht, hat sie in gleicher Weise eine Liebeserklärung entgegengenommen. Keiner der beiden Gesprächspartner braucht sich naiv zu fühlen, beide akzeptieren die Herausforderung der Vergangenheit, des längst schon Gesagten, das man nicht einfach wegwischen kann, beide spielen bewußt und mit Vergnügen das Spiel der Ironie … Aber beiden ist es gelungen, noch einmal von Liebe zu reden.[1]
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Notizen
Daß die Fremdheitserfahrungen in den modernen Gesellschaften zunehmen, daß die Bereiche unpersönlicher, ‘funktionaler’ Beziehungen sich ausweiten, diagnostiziert die neuere Soziologie übereinstimmend. Siehe Habermas, 1981, insbesondere Bd. 2, Kapitel VI. Luhmann, 1983, S. 208. Beck, 1986, insbesondere den zweiten Teil (“Zur Enttraditionalisierung der industriegesellschaftlichen Lebensformen201D;). Luckmann, 1988.
Der Begriff ist, soweit die Diskussion überschaut werden kann, von Luhmann eingeführt worden (Luhmann, 1983).
Siehe hierzu auch Tyrell (1987, S. 572), der bemerkt, Liebe stehe in einem Verhältnis “der funktionalen Äquivalenz” zur Religion und damit auch der 201C;Substitutionskonkurrenz” sowie der “historischen Beerbung”.
Siehe hierzu Kamper/Wulf (Hg.), 1988. Ferner Leibbrand/ Leibbrand, 1972, Bd. I, Kapitel XI.
Siehe zur Liebe im Roman des Barock allgemein Stern, 1932. Alewyn (1974, S. 131) stellt über den barocken Roman insgesamt folgendes fest: “Während im Picaroroman Liebe nur als Abenteuer und damit als Beispiel der Unbeständigkeit und als Laster erscheint, kommt Liebe im heroischen Roman nur als Probe der Beständigkeit und damit als Exempel der Tugend vor.201D;
Siehe hierzu auch Wegmann, 1988, S. 136, der beim Vergleich beider Kategorien ähnliche Differenzen feststellt, aber prinzipiell die Luhmannsche Systemtheorie als leistungsfähig akzeptiert und sie auch verwendet.
Siehe hierzu Schulte-Sasse, 1980, S. 423–450.
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Greis, J. (1991). Einleitung. In: Drama Liebe. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03357-4_1
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