Die »Novelle«

Zusammenfassung

Wer mit Goethes späten Werken (die »Novelle« erschien zu Ostern 1828) vertraut ist, wird sich der Verwunderung darüber anschließen, wie sehr der optimistische und auf Harmonie abgestimmte Grundton der »Novelle« von dem der übrigen Spätwerke unterschieden ist. Wenn dann gar in den Unterhaltungen mit Eckermann vom »Realen« und »Notwendigen« der Novellenerzählung, das die »Idealität« des Schlusses vorbereite, die Rede ist, stellt sich immer dringlicher die Frage nach der Bestimmung und dem Verständnis eben dieser »Realität«. Auf Ekkermanns Charakteristik der »Novelle«, an der »alles Darstellung des Äußeren, alles real sei«, antwortet ihm Goethe: »Sie haben recht […] Innerliches finden Sie in dem Gelesenen fast gar nicht, und in meinen übrigen Sachen ist davon fast zuviel.« [83] Das »Reale« meint also, im Gegensatz zur Darstellung des »Innerlichen«, ein poetisches Verfahren, das sich äußerlicher Darstellungsmittel, der Figur, des Gegenstandes, des Vorgangs und des Bildes bedient. Offensichtlich sollte das Innerliche, d.h. »Sentimentalität« (die poetologische Kategorie dafür in der Diskussion der Zeit), zumindest im »realen« Teil der »Novelle« vermieden werden, um der Darstellung greifbare Plastizität und sinnliche Wirksamkeit zu verleihen.