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Literarische Geschichtsvermittlung als Thema deutschsprachiger Nachkriegsdramatik

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Zusammenfassung

Aus der Menge der Nachkriegsstücke, die ihre Existenz der Auseinandersetzung mit literarischer Geschichtsdarbietung verdanken, ragen einige heraus, deren Text diesen Bezug auch dem Publikum deutlich zu vergegenwärtigen sucht. Gewiß ist es oft schwer zu entscheiden, ob diese Verdeutlichung nur dem Literaturwissenschaftler und -kenner oder auch dem nichtprofessionellen Zuschauer bemerkbar ist. Das ist eine Frage, der hier auf begrenztem Raum nicht nachgegangen werden kann. Der folgende Essay wendet sich — mit Beschränkung auf die Jahre 1945–1960 — wenigen prägnanten Beispielen zu, in denen der Traditionsbezug unübersehbar akzentuiert ist und anhand derer sich verschiedene Arten des Umgangs mit dem Problem vorführen lassen. Außer Betracht bleiben also Stücke wie Brechts Tage der Commune, das sein Autor zwar als »im ganzen eine Art Gegenentwurf«1 gegen Nordahl Griegs Die Niederlage bezeichnet, in dem er aber nicht versucht, das Verhältnis zu seinem Vorgänger demonstrativ herauszukehren.2

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Literatur

  1. Brecht, werkausgabe edition suhrkamp, Frankfurt 1967, Bd. 5, S. 2*

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  2. Vgl. dazu Jan Knopf, Brecht-Handbuch. Theater, Stuttgart 1980, S. 280 (Knopf bezieht sich kritisch auf: Harald Engberg, Brecht auf Fünen, Wuppertal 1974, S. 185).

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  3. Brechts Verhältnis zum literarischen Erbe, insbesondere zur deutschen Klassik, unterliegt bekanntlich einer Entwicklung. Verwiesen sei auf: Hans Mayer, Brecht und die Tradition, München 1965 (dtv sr 45), bes. S. 50–61.

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  4. Vgl. Knopf a.a.O., S. 296 f., sowie die dort gegebenen Hinweise zur Forschung, auf die im hier gegebenen Zusammenhang im einzelnen nicht eingegangen werden kann.

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  5. Und zwar ausgeprägter als in seinen übrigen Stücken der fünfziger Jahre. Obwohl z.B. Das Volksbuch vom Herzog Ernst und Die Eröffnung des indischen Zeitalters ihre Entstehung zweifellos dem Protest gegen frühere Bearbeitungen des Stoffes (mit)verdanken — Hacks selbst spricht vom »polemischen Antrieb«, der ihn seinen »Gegen-Claudel« schreiben ließ (Die Maßgaben der Kunst, Düsseldorf 1977, S. 320) —, wird die Bezeichnung zur Vorlage doch nicht eigentlich zum Thema. Wir beschränken uns darum auf das Müller-Stück.

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  6. In den Anmerkungen, die sowohl im Programmheft der Uraufführung (Deutsches Theater 5. 3. 1958) als auch in der Zeitschrift Neue deutsche Literatur (6, 1958, Heft 2, S. 63 f.) abgedruckt wurden. Vgl. dazu den Aufsatz des Verfassers: Des Menschen edles Bild vollkommen schwarz — Zur Darstellung Preußens in Peter Hacks’ »Der Müller von Sanssouci«, in: Jahrbuch zur Literatur in der DDR 2, 1981/82, bes. S. 115 f.

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  7. Vgl. Friedrich Dürrenmatt, Theaterschriften und Reden, Zürich 1966, S. 128.

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  8. Vgl. Friedrich Dürrenmatt, Komödien II und frühe Stücke, Zürich 1963, S. 12. Im Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen versucht Dürrenmatt, was er in der zitierten Passage der Theaterprobleme für unmöglich erklärt: den Zustand einer »bewußten Naivität« zu bewahren, welche die Resultate der Wissenschaft »umgeht« (a.a.O., S. 127).

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  9. Vgl. dazu den Aufsatz des Vf. Geschichte als Komödie — Dürrenmatts »Romulus der Große«, in: Walter Hinck (Hg.), Geschichte als Schauspiel, Frankfurt 1981, bes. S. 255–257.

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  10. Das »Entlarven« ist Hacks’ wichtigstes Ziel in den frühen Stücken, bes. im Volksbuch vom Herzog Ernst. Die Phase, in der sie entstanden, charakterisiert Hacks im Rückblick des Jahres 1966 mit den Worten: »Wir hatten es damals alle mächtig mit dem Entlarven; ich hing Brecht auch in diesem Punkte an.« Im Müller von Sanssouci ist dieser Impuls zwar noch vorhanden, ins Zentrum aber rückt die Polemik gegen »lakaienhafte und opportunistische Haltungen« (vgl. Hacks, Das Poetische, Frankfurt 1972, S. 92 u. 139).

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  11. Vgl. Theaterschriften und Reden, S. 63.

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  12. Daneben wären kritische Gegendarstellungen gegen die Konventionen eines märchenhaften glücklichen Endes zu nennen, wie es z.B. Wielands heitere Geschichten der Abderiten und — seit der Antike — den (trivialen) Liebesroman kennzeichnet. Demonstrativ setzt Dürrenmatt nicht nur in Grieche sucht Griechin, sondern auch in Der Prozeß um des Esels Schatten der Überlieferung einen von Beschönigung freien, harten Ausgang entgegen. In ihm kann man den zweiten Teil des Untertitels »Nach Wieland — aber nicht sehr« bewahrheitet finden. Die Konstellation wird gleichsam »zu Ende gedacht«, vergleichbar dem, was Dürrenmatt später die »schlimmstmögliche Wendung« nennt, nur daß der neue Ausgang eben keineswegs dem »Zufall« entspringt (wie definitionsgemäß die »schlimmstmöglichen Wendungen«), sondern menschlicher Torheit (ebenso wie die Ausgänge der übrigen Stücke, die die Schicksale ganzer Gemeinwesen behandeln: Herkules, Babylon, Alte Dame, Frank V). — Einen demonstrativ utopischen Ausgang gab Dürrenmatt selber 1949 der Erstfassung seines Romulus (in den späteren Fassungen zurückgenommen), vgl. dazu den oben (Anm. 9) erwähnten Aufsatz des Vf., S. 257–259.

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  13. Es handelt sich offenbar ausschließlich um Autoren, die ihren Gegenstand mit »Ernst«, oft als »Tragödie« behandeln. Gegen »Komödien«-Verfasserrichten sich Dürrenmatts Gegenentwürfe bezeichnenderweise nicht, so sehr er in seinen eigenen, »Komödie« genannten Stücken von den überlieferten »Komödien«—Mustern abweicht.

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  14. Theaterschriften und Reden, S. 67.

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  15. Gesammelte Hörspiele, Zürich 1964, S. 105.

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  16. Wenn Dürrenmatt einige von ihnen deutlich als »Don Quichotes« erscheinen läßt oder gar ausdrücklich als solche bezeichnet, entspringt der Bezug auf die literarische Überlieferung (Cervantes) ausnahmsweise nicht einem kritischen Impuls. Kritik richtet sich allein gegen die verhandelte Sache (den vermeintlichen Heroismus), nicht aber gegen ein Überliefertes, das vielmehr für diese Kritik an der Sache bereits ein Modell liefert.

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  17. Ausdrücklich durch Dr. H., den Binnenerzähler des Detektivromans Das Versprechen.

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  18. Vgl. Komödien II und frühe Stücke, S. 275–278, sowie den Schluß der 1. Buchausgabe, Zürich 1960, S. 88. Dazu die Monographie des Verfassers, Friedrich Dürrenmatt, Stuttgart 1973, S. 62 f.

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  19. A.a.O., S. 122.

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  20. Ebd.

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  21. Komödien I, 7. Auflage, Zürich 1965, S. 318.

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  22. Ebd., S. 432 f.

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  23. Vgl. die auf die Alte Dame bezogene Bestimmung von »Tragödie«, die der Autor im Programmheft der Uraufführung gab: »(antike) Form der dramatischen Kunst, die voraussetzt, daß die Gemeinschaft ein Recht habe, in einen feierlichen Chor auszubrechen. Die Gemeinschaft wird idealisiert.« (abgedruckt auch in Bd. 5 der dreißigbändigen Werkausgabe, Zürich 1980, S. 140). Vgl. dazu die Interpretation des Vf. in: Walter Hinck (Hg.), Die deutsche Komödie, Düsseldorf 1977, bes. S. 339–341.

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  24. Theaterschriften und Reden, S. 63.

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  25. Ebd., S. 48.

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  26. Vgl. die erwähnte Äußerung Frischs im Programmheft der Uraufführung, wiederabgedruckt in: Gesammelte Werke in zeitlicher Folge. Jubiläumsausgabe in 7 Bdn., Bd. 4, Frankfurt 1986, S. 456: »Der Chor ist nicht parodistisch gemeint, nur komisch. Der antike Chor, der die Stadt (und insofern den Zuschauer) vertritt und auf der Bühne wacht, beschwichtigt und warnt, ohne wirklich eingreifen zu können, wenn Kreon sich blindlings ins Unheil begibt, hat mich immer an die brave Feuerwehr erinnert, die auch nichts machen kann, bevor’s brennt, und dann ist es ja — in der Tragödie und heute — zu spät.« — Es gibt zumindest eine Stelle, an der Frischs Feuerwehrmänner ihre Beziehung zum antiken Tragödienchor deutlich aussprechen: »Fragend nur, höflich / Noch in Gefahr, die uns schreckt, / Warnend nur, ach kalten Schweißes gefaßt / Naht sich bekanntlich der Chor, / Ohnmächtigwachsam, mitbürgerlich, / Bis es zum Löschen zu spät ist, / Feuerwehrgleich.« (ebd., S. 357) Wenn Frischs Feuerwehrleute hier von sich selbst als »dem Chor« sprechen und obendrein ihr Verhalten als »feuerwehrgleich« charakterisieren, treiben sie ihre Beziehung zum antiken Vorbild bis zur Vertauschung der Identität. — Die Äußerung Dürrenmatts ist wiederabgedruckt im 5. Bd. der dreißigbändigen Werkausgabe (Zürich 1980), S. 140. — Abgelehnt wird eine Deutung des Chors als Parodie auch bei Hans Bänzinger, Fuchs, du hast die Gans gestohlen…, in: Walter Schmitz (Hg.), Materialien zu Max Frisch »Biedermann und die Brandstifter«, Frankfurt 1979, S. 217 f. Wenn dagegen Walter Schmitz wider die Meinung des Autors die parodistische Natur der Chorpartien bejaht (ebd., S. 148), so ausdrücklich im Hinblick auf eine »gängige« Begriffsbestimmung von »Parodie«. Diese weicht von der Frischs offenbar ab (zu Frischs »Parodie«-Begriff vgl. z.B. Gesammelte Wrke in zeitlicher Folge, Bd. 2, S. 225).

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  27. Ebd., Bd. 4, S. 358.

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  28. Ebd., Bd. 4, S. 327.

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  29. Ebd., Bd. 4, S. 366.

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  30. Walter Schmitz, Max Frisch. Das Werk (1931–1961), Bern 1985, S. 313. Vgl. dazu auch die Aufsätze von Herbert Knust im Materialienband, a.a.O., S. 223–245, und in The German Quarterly 59, 1986, bes. S. 45.

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  31. Dazu bedarf es konkreter Adaption auf die eigene Biographie durch das »Ich bin der Geist — von Knechtling«, das nun endlich affektive Regungen, wenn auch nicht die rechten, hervorruft (IV, 382).

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  32. Vgl. Ebd., S. 355 f.

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  33. Über die Beziehung Frischs zu Mell vgl. vor allem den Aufsatz Hans Bänzigers in seinem Buch Zwischen Protest und Traditionsbewußtsein. Arbeiten zum Werk und zur gesellschaftlichen Stellung Max Frischs, Bern 1975, bes. S. 55 u. 67 f., sowie Walter Schmitz, a.a.O., S. 137.

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  34. Komödien II…, S. 170.

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Hartmut Eggert Ulrich Profitlich Klaus R. Scherpe

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Profitlich, U. (1990). Literarische Geschichtsvermittlung als Thema deutschsprachiger Nachkriegsdramatik. In: Eggert, H., Profitlich, U., Scherpe, K.R. (eds) Geschichte als Literatur. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03341-3_26

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