Zusammenfassung
Was heißt es, eine Geschichte zu erzählen, und was will man, wenn man eine Geschichte erzählt? Von einem, der es wissen konnte, von Thomas Mann nämlich, erfahren wir: eine Geschichte zu erzählen, heißt, sich auf das Vergangene einzulassen. »Geschichten«, so heißt es im Vorsatz zum Zauberberg, »müssen vergangen sein, und je vergangener, könnte man sagen, desto besser für sie in ihrer Eigenschaft als Geschichten und für den Erzähler, den raunenden Beschwörer des Imperfekts«. Mit dem Vergangenen des Erzählten hat es freilich, wenn man Thomas Mann weiter folgt, eine eigene Bewandtnis. Eine Geschichte verdankt ihre Vergangenheit nämlich »nicht eigentlich der Zeit«, sondern rührt daher, »daß sie vor einer gewissen, Leben und Bewußtsein tief zerklüftenden Wende und Grenze spielt«. Das Vergangene eignet sich nicht einfach als solches dazu, erzählt zu werden; es kann das, was wir gegenwärtig tun und denken, so sehr und so selbstverständlich prägen und darin noch präsent sein, daß es als Vergangenes gar nicht in den Blick kommt. Erzählt aber wird es nur, wenn es seine gegenwärtige Selbstverständlichkeit verloren hat, und wenn etwas erzählt wird, kommt es umgekehrt als Vergangenes erst in den Blick.
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Figal, G. (1991). Warum soll man über die Welt eine Geschichte erzählen?. In: Das Untier und die Liebe. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03337-6_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03337-6_5
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00731-5
Online ISBN: 978-3-476-03337-6
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