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Einleitung

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Ein neuer Anfang?
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Zusammenfassung

Die ‘Bedingungslose Kapitulation’ des Hitler-Staates am 8. Mai 1945 und die Gründung zweier deutscher Staaten — Annahme des Grundgesetzes der ‘Bundesrepublik Deutschland’ durch den ‘Parlamentarischen Rat’ am 8. Mai 1949 und Inkraftsetzen der Verfassung der ‘Deutschen Demokratischen Republik’ durch den ‘Deutschen Volksrat’ am 7. Oktober 1949 — markieren die politischen Eckdaten der Zeitspanne zwischen 1945 und 1949, die sich dem historischen Bewußtsein mehr und mehr als ein eigener Geschichtsabschnitt darstellt. Eine auffällige Besonderheit der kulturellen und gesellschaftlichen Situation dieser Zeit manifestiert sich in der signifikanten Zunahme der Kommunikationsform ‘Schriftsteller-Rede’. “Als der Krieg zu Ende war, waren wir voll Wißbegierde und Hoffnung. Man hatte uns in Deutschland Kenntnisse vorenthalten: also wollten wir lernen. Man hat uns die freie Rede genommen: also wollten wir diskutieren.”1 So kommentiert die ‘Hamburger Akademische Rundschau’ im Jahr 1950 rückblickend die unmittelbare geistige Nachkriegssituation in Deutschland. Zahlreiche deutsche Schriftsteller und Intellektuelle — von unterschiedlichster politischer und weltanschaulicher Provenienz — wählten nach der Zeit der unterdrückten Meinungsfreiheit unter der Hitler-Regierung den Weg der “latent dialogische(n)”2 öffentlichen Schriftsteller-Rede, um sich auf dieser Diskursebene mit der jüngsten Vergangenheit, der unmittelbaren Gegenwart und der avisierten Zukunft auseinanderzusetzen.

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Notizen

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  5. Als Kontrast und um an die propagandistische Inanspruchnahme des öffentlichen Redens im Dritten Reich, die unmittelbar nach Kriegsende ja noch in aller Köpfe war, zu erinnern, soll hier ein kurzer Blick auf Adolf Hitlers Prognuamschrift ’Mein Kampf geworfen werden, in der er im ersten Teil die Schriftsteller über die Bedeutung des gesprochenen Wortes aufzuklären versucht: “Denn das mögen sich alle die schriftstellemden Ritter und Gecken von heute besonders gesagt sein lassen: die größten Umwälzungen auf dieser Welt sind nie durch einen Gänsekiel eingeleitet worden./ Nein, der Feder blieb es immer nur vorbehalten, sie theoretisch zu begründen./Die Macht aber, die die großen historischen Lawinen religiöser und politischer Art ins Rollen brachte, war seit urewig nur die Zauberkraft des gesprochenen Wortes./Die breite Masse eines Volkes vor allem unterliegt immer nur der Gewalt der Rede. Alle großen Bewegungen aber sind Volksbewegungen, sind Vulkanausbrüche menschlicher Leidenschaften und seelischer Empfindungen, aufgerührt entweder durch die grausame Göttin der Not oder durch die Brandfackel des unter die Masse geschleuderten Wortes und sind nicht limonadige Ergüsse ästhetisierender Literaten und Salonhelden.” Vgl. Adolf Hitler. Mein Kampf. Bd. 1. München 1933, S. 116.

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  28. Daß ein solcher ‘Nullpunkt’ nach dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich nicht gegeben war, zeigt Frank Trommler in seinem Aufsatz: “Der Nullpunkt’ und seine Verbindlichkeit fiir die Literaturgeschichte”. In: Basis. Jahrbuch der deutschen Gegenwartsliteratur, Bd. 1, Frankfurt/M. 1970, S. 1ff. Vgl. auch: Ders.: Der zögernde Nachwuchs. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Tendenzen der deutschen Literatur seit 1945. Stuttgart 1971, S. 1ff; sowie Heinrich Vormweg: Deutsche Literatur 1945–1960: Keine Stunde Null. In: Manfred Durzak (Hrsg.): Die deutsche Literatur der Gegenwart. Stuttgart 1971, S. 13ff. und Hans Mayer: Der totale Ideologieverdacht. In: Ders.: Deutsche Literatur seit Thomas Mann. 3. Aufl. Reinbek bei Hamburg 1972, S. 53ff. Die Kritik der Nullpunkt-Vorstellung und deren Charakterisierung als Ideologie geht davon aus, daß die gesellschaftspolitischen und kulturellen Gemeinsamkeiten vor und nach 1945 schwerer wiegen als die Verschiedenheiten. Diese Vorstellungen kristallisierten sich erst langsam in den sechziger Jahren heraus. Daß der Nullpunkt-Begriff — verstanden als ‘tabula rasa’ — nicht aufrechterhalten werden kann, dokumentiert auch Volker Wehdeking in seiner Arbeit ‘Über die Konstituierung der deutschen Nachkriegsliteratur (1945–1948) in den amerikanischen Kriegsgefangenenlagern’, Stuttgart 1971. Zunächst ist jedoch immer zu untersuchen, was die Idee der ‘Stunde Null’ im Nachkriegsdeutschland bedeutete, “warnm sie aufkam und welche Funktion ihr zukam, (…) bevor man sie als Illusion abtut.” Vgl. hierzu: Alexander von Bormann: Der Kalte Krieg und seine literarischen Auswirkungen. A.a.O., S. 67ff. Mit Recht weist Bernd Hüppauf darauf hin, daß zunächst der “historisch gesellschaftliche Bezugsrahmen, auf den Begriffe wie’Kontinuität’ und’Bruch’ oder ’Wandel’ sich beziehen”, bestimmt werden muß, wenn zuverlässige Aussagen über die Bewertung der ‘Stunde Null’ getroffen werden sollen. Vgl. Bernd Hüppauf: Einleitung. In: Ders.(Hrsg.): ‘Die Mühen der Ebenen’. Kontinuität und Wandel in der deutschen Literatur und Gesellschaft 1945–1949. Heidelberg 1981. (= Reihe Siegen, Bd. 17), S. 11. Beispielsweise bezieht sich Helmut Kreuzer, um den Einschnitt des Jahres 1945 zu belegen, gleichermaßen auf Momente der Sozial- und Ideengeschichte, der politischen Ereignisse und der stilgeschichtlichen Erscheinungen. Vgl.: Helmut Kreuzer. Zur Periodisierung der ‘modernen’ deutschen Literatur. In: Basis. Jahrbuch der deutschen Gegenwartsliteratur, Bd. 2, Jg. 1971, S. 7ff.

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Wende, W. (1990). Einleitung. In: Wende, W. (eds) Ein neuer Anfang?. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03335-2_1

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